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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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Überleben.
     
    Mir fällt auf, dass viele Eltern bei Grenzüberschreitungen nicht an Konsequenzen denken. Sie verzichten darauf und versuchen stattdessen, mit untauglichen Mitteln Akzeptanz einzufordern. Daraus entsteht meistens ein Erziehungsdrama in vier Akten:
    Erster Akt:
Wenn Eltern ihre pubertierenden Kinder zum wiederholten Mal auf die Einhaltung von Regeln aufmerksam machen, äußern sie häufig den Satz: «Jetzt mach das aber bitte!» Oder: «Bitte, mach das sofort!» Das Wort «bitte» – mehr mit spitzen Lippen gezischt als angemessen artikuliert – steht dazu inmerkwürdigem Kontrast zum Klang der Stimme, die drastische Ungeduld verrät. Christian, 16   Jahre, sagte einmal zu mir: «Wenn Mama ständig bitte sagt, ist es halb so schlimm!»
    Zweiter Akt:
Wenn trotz des «Bitte» der Aufforderung keine Folge geleistet wird, hört man häufig den Satz: «Muss ich es dir zweimal sagen?» Oder: «Wie häufig muss ich es dir noch sagen?» Wer seinem pubertierenden Kind in diesem Moment in die Augen blickt, dem wird angedeutet: «Du wirst es heute noch 2 0-mal sagen. Und schließlich machst du es doch allein!»
    Dritter Akt:
Wenn das alles ohne Erfolg bleibt, dann führen Eltern ein nächstes untaugliches Geschütz ins Feld: «Oder muss ich erst böse werden, bevor ihr das macht?» Dieser Satz, zumeist ausgestoßen im Zustand zunehmender Erregung, ändert nichts am Handeln des Pubertierenden, im Gegenteil: Wenn Eltern diesen Satz im Zustand von Zorn, Ärger, zunehmender hormoneller Irritation herausschreien, dann sagen die Augen der Heranwachsenden: «Oh, geil, gleich platzen sie!»
    Vierter Akt:
Dies ist die Endstufe der Eskalation. Nachdem die Erwachsenen alles versucht haben, flippen sie völlig aus – und formulieren die Sätze mit Ewigkeitsdimensionen: «Du bist nur noch böse!» Oder: «Ich mach dir nie wieder Frühstück!» Oder: «Du siehst nie mehr fern!» Oder: «Du spielst nicht mehr am Computer!» Oder: «Ein halbes Jahr Disco-Verbot!» Wenn Eltern die Kraft hätten, ihre Heranwachsenden in diesem Moment anzusehen, würden sie bemerken, wie diese weise den Kopf schütteln, so als drückten sie aus: «Warum müsst ihr euch immer so gehenlassen!»
     
    Pubertierende wollen authentische Eltern, die zu ihren eigenen Gefühlen stehen. Sie wollen Eltern, die aufrichtig sind und zu dem stehen, was sie sagen. Um hier nicht missverstanden zu werden: Das ist keine Aufforderung, wie ein unsensibler Rambo aufzutreten, zum Panzer zu werden, der Kinder niederwalzt.
    Konsequent handeln
    Ich plädiere für den Mut zur Unvollkommenheit. Bleiben Sie gelassen! Doch sind gewisse Kriterien zu benennen, mit denen Sie sich und Ihre Motivation überprüfen sollten. Fragen Sie sich, ob die für das Kind aufgestellten Grenzen Ihrer eigenen Bequemlichkeit dienen. Stellen die damit verbundenen Konsequenzen offene oder verdeckte Verbote dar, die den Heranwachsenden letztlich einengen? Oder sind sie der Entwicklung der Heranwachsenden dienlich? Sie verkennen Jugendliche – das gilt insbesondere für jene, die durch Störungen und Schwierigkeiten herausfordern – dann, wenn Sie sie nur unter dem Blickwinkel des «Kannst du denn niemals   …?» oder des «Musst du denn immer   …?» betrachten. Auch das auffallende Kind hat Persönlichkeitsanteile, die es zu fördern gilt und auf die sich ein positives Selbstwertgefühl aufbauen lässt.
    Gerade unsichere, unselbständige und desorientierte Heranwachsende brauchen überschaubare Regeln und Grenzen. Dazu sind Rituale und Routine notwendig, die Sicherheit und Selbstvertrauen geben. Um Grenzen zu erkennen, benötigen Heranwachsende Eltern, die nicht nur Grenzen einfordern, sondern eigene, selbstbestimmte Grenzen einhalten. Nur auf der Grundlage eines Miteinanders lassen sich Grenzen setzen. Häufiger ist hingegen ein Gegeneinander zu beobachten: «Entweder machst du das oder   …» Verbreitet ist auch die Besserwisserei: «Ich meine es nur gut mit dir   …» Solche Positionen führen in der Regel zu Machtkämpfen, zu Vergeltungswünschen, zu Hilflosigkeit oder zu beleidigtem Rückzug. Wer Grenzen setzt, muss über die Konsequenz beim Regelverstoß nachdenken. Die Heranwachsenden müssen die Folgen bei Regelverstößen einschätzen können. Konsequenzen haben nichts mit Bestrafung zu tun: Konsequenzen bauen auf der Mitarbeit des Heranwachsenden auf, Regelverstöße und Grenzüberschreitungen zukünftig zu verhindern. Strafensind meist rückwärtsgewandt und zielen auf ein

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