Pubertät – Loslassen und Haltgeben
werden, den Mangel an Wärme und Atmosphäre auszugleichen. Und Schwierigkeiten entstehen, wenn Heranwachsende emotional verwahrlosen, sodass Jugendliche kein Selbstbewusstsein und Urvertrauen ausbilden können.
Doch haben Grenzen nichts mit Verboten und Strafe zu tun. Grenzen sollen nicht beherrschen, vielmehr leiten, führen, unterstützenund anregen. Bei Verboten und Strafen geht es demgegenüber darum, Willen zu brechen oder Macht zu demonstrieren. Abgesehen davon, dass sich Verbote und Strafen meist nicht durchhalten lassen, weil sie im Affekt oder Zorn ausgesprochen werden, so wirken sie sich zudem belastend auf die Eltern-Kind-Beziehungen aus. Denn Grenzen setzen und Achtung des Heranwachsenden gehören unbedingt zusammen. Wer den Heranwachsenden in seiner Würde respektiert und achtet, trägt dazu bei, ihn in seinem Selbstwertgefühl zu stärken. Doch bedenken Sie auch: Wer ständig Grenzüberschreitungen der Heranwachsenden ignoriert, sich ihnen gegenüber gleichgültig verhält, trägt nicht allein zur Verstärkung einer zerstörerischen Haltung bei, sondern verhindert auch, dass sich ein Selbstwertgefühl und gegenseitiger Respekt ausbilden.
Grenzen zeigen Heranwachsenden, wo sie hin- und wo sie
nicht mehr
hingehören, sie dokumentieren das Koordinatensystem der Gegenwart und weisen zukünftige Perspektiven auf: Hier bin ich, und da will ich hin. So geht die Einsicht in die Notwendigkeit von Grenzen einher mit dem Wunsch, Grenzen auszuweiten und zu überschreiten. Grenzen symbolisieren Ende und Beginn des Weges. Sie bieten eine Zeit lang Sicherheit und Schutz. Doch ein einmal erreichtes Ziel fordert dazu auf, jenseits der Grenzen nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten. Grenzen dokumentieren Nähe und Distanz, Vertrauen auf Erreichtes und Zutrauen für Neues. Grenzen bedeuten, sich von Gewohntem zu trennen und sich auf unbekannte Dimensionen einzulassen.
Eltern, die ihren Kindern in der Pubertät Grenzen setzen, sollten sich an einigen Grundsätzen orientieren:
Je älter die Heranwachsenden werden, umso bedeutsamer wird die elterliche Begleitung, wenn Risiken und Gefährdungen wachsen. Grenzen zeigen Jugendlichen an, dass sie für dieFolgen ihres Tuns und ihres Handelns die Verantwortung zu übernehmen, bei Überschreitungen Konsequenzen auszuhalten haben.
Das Setzen von Grenzen funktioniert umso überzeugender, je deutlicher es auf der Grundlage von gegenseitiger Achtung geschieht, je mehr es von Intuition und Fingerspitzengefühl geprägt ist. Wenn Grenzen als Kontrollmaßnahme empfunden, wenn bei Regelüberschreitungen entwürdigende Strafmaßnahmen befürchtet werden, dann sind sie einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Eltern und Heranwachsenden nicht förderlich.
Es geht nicht um eine Vielzahl von Grenzen und Regeln. Im Mittelpunkt muss vielmehr die Überlegung stehen, ob deren Inhalt Sinn macht. Wenn jede Kleinigkeit im Zusammenleben von Heranwachsenden und Eltern durch Absprachen und Vereinbarungen geregelt wird, dann wirkt sich das lähmend aus. Es wird von allen Beteiligten als lästig und tyrannisierend empfunden. Konstruktiver ist es, Grenzen mit liebevoller Klarheit zu vermitteln und deutlich zu machen, dass sich diese Regeln inhaltlich verändern können. Versuchen Sie, die Regeln so einfach wie möglich zu formulieren. Geben Sie mehr Freiräume dort, wo es sich um ungefährliche Alltagssituationen handelt (z. B. Mode, Haarschnitt, Hobbys, Taschengeld), setzen Sie engere Grenzen dort, wo Gefährdungen möglich oder wahrscheinlich sind.
Gehen Sie vom guten Willen der Heranwachsenden aus, Grenzen einzuhalten und zu respektieren. Wenn Regeln ständig missachtet werden, ohne dass sich daraus Konsequenzen ergeben, sind sie allerdings wertlos. Zumeist ist damit auch ein Ansehensverlust jener Personen verbunden, die sie aufgestellt haben.
Wer Regeln formuliert, muss davon ausgehen, dass Heranwachsende diese Grenzen austesten. Bedenken Sie deshalb:Wissen Sie, welche Konsequenzen Sie in diesem Fall ziehen wollen? Sind diese für den Heranwachsenden überschaubar?
«Ich bemühe mich schon, konsequent zu sein», erzählt mir die Mutter des 1 3-jährigen Tim. «Aber dann gibt es Situationen, da flipp ich aus, also da platzt mir der Kragen. Wenn Tim zum tausendsten Mal nicht hören will.» – «Wer ist Tim?», frage ich.
«Ein 1 3-jähriges Schlitzohr!», meint sie lächelnd.
«Schildern Sie mir doch eine Situation, in der er partout nicht hören will.»
«Also», beginnt
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