Pubertät – Loslassen und Haltgeben
dreimaliger Erinnerung – «Ich wollte ihm eine Chance geben!», so die Mutter – im Sack. Die Situation am folgenden Tag: Beide Lieblingspaare sind einkassiert, Lars flucht, zürnt, poltert, droht, will nicht in die Schule gehen. Rita Schult bleibt ruhig: «Du hast genügend andere Schuhe!»
«Die sind blöd. Da seh ich aus wie ein Clown.»
Dann wechselt er die Strategie: schmeichelt, raspelt Süßholz. Die Mutter bleibt konsequent. Dann wieder Drohgebärden: «Du kommst nie mehr auf ein Seminar. Und ich entzieh dir das Sorgerecht. Oder ich geh zu Papa. Der mag mich sowieso mehr als du.»
Als auch diese Vorwürfe ins Leere laufen, schreit er: «Gut, dann geh ich nur mit Strümpfen zur Schule.»
«Zieh drei Paar an! Draußen liegt Schnee.»
«Du willst wohl, dass ich sterbe …» Lars’ Stimme ist eine Mischung aus Weinerlichkeit und Trotz.
«Dann zieh fünf Paar an», schlägt die Mutter vor. Lars rennt in sein Zimmer, zieht sich Strümpfe über, dann läuft er zur Haustür. «Ich geh jetzt …», meint er, zur Mutter gewandt. «Tschüs!»
«Ich geh jetzt wirklich», wiederholt Lars.
«Tschüs!» Rita geht in die Küche, lacht laut los, klopft sich innerlich auf die Schulter. Lars verlässt – die Tür laut zuknallend – das Haus, kommt am Bauernhof der Großmutter vorbei,die gerade Schnee wegfegt. Sie sieht ihren Enkel, seinen Aufzug, die fehlenden Schuhe, wie er wie ein geschlagener Held durch den Schnee schlurft.
«Lars», ruft sie. «Mein Kind, wie siehst du denn aus!» Sie nimmt ihn in ihre Arme, drückt ihn ganz fest.
«Deine Tochter», säuselt er mit leiser, Mitleid erheischender Stimme. «Deine Tochter will, dass ich sterbe.»
«Mein Junge», tröstet ihn die Oma. «Komm, zieh Opas Gummistiefel über.» Lars wandert mit Stiefeln in die Schule, findet die Aufmerksamkeit seiner Freunde und kreiert so eine neue Mode. Auf dem Nachhauseweg kauft er seiner Mutter ihre Lieblingspralinen und eine rote Rose. Er legt dies an ihren Platz.
«Für mich?», fragt sie vorsichtig.
Er nickt.
«Und warum?»
«Weil ich dich mag!»
Diese Geschichte verdeutlicht einige übergreifende Gesichtspunkte …
Es geht bei der Absprache von Regeln darum, die Heranwachsenden anzuregen, anzuleiten und zu unterstützen. Bestrafung und Achtung des anderen schließen sich aus.
Heranwachsende lernen aus Folgen ihres Tuns. Wichtig ist: Das Kind soll die natürlichen Folgen spüren, sie nicht als Drohung empfinden.
Der Umgang mit Unordnung ist in vielen Familien ein ständiges Thema. Fordern Sie Ihre Kinder auf, einen Beitrag zur Einhaltung von Ordnung zu leisten. Wenn Heranwachsende nicht die Folgen von Unordnung fühlen, besteht für sie kaum ein Anlass, sich um die Ordnung im Zimmer oder in der Wohnung zu kümmern.
Sehr häufig wird mit Worten gekämpft. Formulierungen wie «Das hab ich dir schon hundertmal gesagt» stoßen auftaube Ohren. Suchen Sie nach einem Hilfsmittel, das das Alltagsproblem löst. Halten Sie sich nicht bei der Ursachenforschung auf, fragen Sie nicht ständig nach dem Warum, sondern konzentrieren Sie sich auf die pragmatische Lösung. «Warum-Fragen» bringen Kinder schnell in die Opfer- und Verteidigerhaltung, Eltern in die der Besserwisser.
Die Geschichte verdeutlicht noch einen Aspekt, der vor allem Alleinerziehende betrifft. Diese Mutter lässt sich nicht ausspielen, nicht nötigen. Dadurch wird sie einerseits zur Reibefläche, muss einiges aushalten, andererseits verschafft sie sich aber auch einen Spielraum, indem sie ihren Kindern Klarheit vorlebt. Und sie erfahren, dass Erpressungsversuche keinen Sinn machen.
Wenn es um die natürlichen oder logischen Folgen von Handlungen geht, lassen sich Konfliktsituationen entkrampfen. So zeigen Sie Heranwachsenden, wie weit sie gehen können, und vermitteln zugleich Verlässlichkeit: Logische Folgen sind vorhersehbar, man weiß, woran man ist. Der Umgang mit Regelverstößen wird dann nicht von der Tagesform abhängig, verläuft vielmehr nach erkennbaren Lösungsschritten.
Wenn Grenzverletzungen ohne Folgen bleiben
«Sie schreiben», so der Vater der 1 5-jährigen Nele, «Konsequenzen würden das störende Verhalten beseitigen. Aber bei meiner Tochter klappt das nicht. Ihre Idee beispielsweise, die mit dem Zaubersack, wenn Sachen nicht aufgeräumt werden, habe ich ausprobiert. Das funktioniert nicht. Es bleibt alles ein Saustall.»
Britta Thomas, Mutter des 1 3-jährigen René: «Er arbeitet überhaupt nicht mit. Er lässt mich
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