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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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Türen so, dass sie kaputtgehen, er schreit laut um sich, spuckt in den Flur, sprüht Graffiti. «Diese Ausraster kommen wirklich regelmäßig!» In der Schule hat man schon vielesversucht, «mit klaren Konsequenzen und so, die hält er auch ein. Horst musste Türen reparieren, Graffiti abwaschen – aber am nächsten Tag geht alles von vorne los. Er wird allmählich ein Fall für das Jugendamt. Und das möchte ich nicht!» Ich frage, ob er eine Idee habe, warum Horst so handelt. Heinz Schade meint: «Vielleicht hat es mit der Trennung der Eltern zu tun!» Aber dann überlegt er nochmals und verwirft diesen Erklärungsversuch gleich wieder: «Aber die haben sich in aller Freundschaft getrennt. Der Horst hat’s eigentlich gut, weil, mal ist er bei der Mutter, dann beim Vater. Er kann sich das richtig aussuchen! Ich verstehe nicht, warum er so ist!»
    «Wann stört Horst nicht?», will ich wissen. «Gibt es Ausnahmen?»
    Der Lehrer überlegt: «Eigentlich stört er immer!» Er bekräftigt diese Einschätzung nach einer kurzen Pause: «Immer!»
    Ich bitte ihn, zu überlegen, wann Horst das letzte Mal nicht auffällig war.
    «Lassen Sie mich nachdenken   … Vorletzte Woche ging’s drei Tage gut! Aber davor war es besonders schlimm. Die Eltern mussten sogar kommen. Da musste eine Grenze her!»
    «Die Eltern? Ich denke, die leben getrennt», frage ich nach.
    «Ja, schon!», meint der Lehrer. «Wenn’s besonders schlimm ist, dann kommen beide!»
    Heinz Schade ist der Meinung, dass die Eltern mit Horst zu einem Beratungsgespräch zu mir kommen sollten. Er teilt dies allen Beteiligten mit, die einverstanden sind. Nach zehn Tagen ruft er mich an, die Beratung sei fast überflüssig, Horst störe überhaupt nicht mehr. Er sei wie verwandelt, allein die Ankündigung habe schon eine Veränderung bewirkt. «Der meint wohl, Sie lesen ihm dann die Leviten!» Ich bestehe weiterhin auf dem Gespräch, auch weil die Eltern und Horst dieses unbedingt wünschen.
    Als die drei kommen, setzen sich die Eltern auf ein Sofa, Horstsitzt ihnen gegenüber. Ich eröffne das Gespräch: «Glückwunsch, Horst, du bist sehr stark!»
    Er ist etwas irritiert: «Wieso?»
    «Du schaffst es immer wieder, deine Eltern zusammenzuführen!» Horst lächelt, als ob er sich verstanden fühlt. «Du möchtest, dass sie wieder zusammenleben?» Er nickt. «Die verstehen sich doch so gut.» Er schaut seine Eltern an, die sich ihrerseits irritiert anblicken.
    «Warum muss Papa denn kilometerweit weg wohnen, wenn die sich so gut verstehen?», fragt er mich.
     
    Ich breche hier die Schilderung ab. In der Ehe der Schuberts habe es «schon bald nach der Geburt gekriselt. Wir verstanden uns nicht. Waren einfach zu unterschiedlich», erzählt Horsts Mutter. «Aber wir wollten so lange wie möglich zusammenbleiben, wegen Horst. Wir waren der Meinung, dass er später, wenn er erst einmal in der Pubertät ist, unsere Trennung besser verkraften könnte.»
    Der Vater ergänzt: «Dann haben wir uns geschworen, uns freundschaftlich zu trennen, kein böses Wort übereinander zu verlieren!»
    Als Horst das hört, meint er ganz selbstbewusst: «Und ich hab euch immer gefragt, ob ihr euch noch gernhabt. Ihr habt ja nie miteinander gekuschelt. Dafür hab ich immer gesorgt!» Seine Mutter erinnert sich daran, wie schon der kleine Horst Kuschelrituale inszeniert habe, um seine Eltern zusammenzuführen. «Wir haben’s mit uns machen lassen!» Sie sieht mich an. «Jetzt fange ich an zu begreifen: Später war’s nicht mehr das Kuscheln, da war’s dann wohl die Wut!»
    Ich wende mich an Horst: «Du sorgst gut für dich!»
    «Und wie!», ruft er selbstbewusst.
    «Und was sollen wir tun?», fragt die Mutter.
    Ich schaue sie an. «Ihm sagen, ihm zeigen, dass Ihr gemeinsamerWeg endgültig zu Ende ist, Ihre Partnerschaft keine Zukunft hat!»
     
    Wir vereinbaren Beratungsgespräche, die Horst zeigen sollen, dass es nicht seine Aufgabe ist, die Ehe der Eltern zu reparieren. Wir erarbeiten Rituale, die Horst die Trennung seiner Eltern begreiflicher machen. Dazu gehört vor allem eine klare Besuchsregelung. Horst wirkt zunehmend erleichtert, ja, es scheint, als sei eine Last von seinen Schultern genommen. Er fühlte sich, wie er erzählte, für das Scheitern der Ehe seiner Eltern schon als kleines Kind verantwortlich. Daher startete er vergebliche Versuche, die Partnerschaft seiner Eltern zu retten.
    Die schulischen Störungen ließen allmählich nach, dieses Verhalten hatte seinen Sinn

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