Pubertät – Loslassen und Haltgeben
geht es nicht gut›!»
Franz formuliert hier intuitiv, was die Kommunikationspsychologie durch zahlreiche Untersuchungen belegt hat: 55 Prozent der Kommunikation laufen über Körpersprache, über Gestik und Mimik, 38 Prozent laufen über den Klang der Stimme und die Art des Sprechens, lediglich 7 Prozent vermitteln sich über den Inhalt und den Sinn der Worte. Missverständnisse in der Eltern-Kind-Kommunikation haben ihre Ursache häufig in der Unklarheit, mit der viele Eltern Absichten formulieren.
Hinzu kommt ein anderer, häufig übersehener bzw. wenig beachteter Aspekt. Eltern überschätzen nicht nur die Wirksamkeit ihrer Worte und Anweisungen. Sie unterschätzen zugleich, wie wichtig es ist, sich dem Kind zuzuwenden, Kontakt zu ihm aufzunehmen, wenn sie ihm etwas mitteilen wollen. Heranwachsende – und Erwachsene natürlich auch! – wünschen, angesprochen zu werden, sie wollen sich angesprochen
fühlen
. Wenn Eltern Jugendlichen Grenzen setzen wollen, sollten sie beachten: zuerst Kontaktaufnahme mit den Augen, danach Körperkontakt bzw. Nähe geben und erst dann eine eindeutige Sprache.
Wilma Meister erzählt über ihre Tochter Isabell, die 13 ist. Es gab Absprachen über die Mithilfe im Haushalt: «Aber meine Tochter tat nichts. Ich musste reden und reden. Aber sie hat sichimmer noch nicht gerührt. Das Ende vom Lied ist: Ich musste nach wie vor alles selber machen! Doch dann habe ich die Taktik geändert.»
«Wie haben Sie denn reagiert, wenn Isabell sich nicht an die getroffenen Absprachen gehalten hat?»
«Früher hab ich sie ständig ermahnt: ‹Bring endlich den Mülleimer hinaus!› Jetzt gehe ich zu ihr ins Zimmer, klopfe vorher an, baue mich richtig vor ihr auf, Auge in Auge, auf gleicher Höhe: ‹Isabell, ich möchte, dass du den Mülleimer sofort hinausbringst!› Meistens klappt das, manchmal fragt sie: ‹Gleich?› Dann antworte ich: ‹O. k., in zehn Minuten ist alles erledigt!› Isabell findet mich anstrengend. Aber das geht an mir vorüber. Das Labern hat aufgehört.»
Die Mutter von Isabell hat ihre Priorität auf ein klares, für die Tochter verständliches Handeln gelegt. Sie fühlt, die Mutter redet nicht «um den heißen Brei», sie sagt, was sie will.
Klarheit in der Sprache und Festigkeit im Gefühl lassen gegenseitigen Respekt entstehen. Partnerschaftlichkeit und Gleichwertigkeit in Beziehungen können gewiss nicht in allen Situationen gleichermaßen gelebt werden – sie sind das Ergebnis andauernder Bemühungen.
Situation: Sonntagmorgen, Fabian, 14 Jahre, sitzt mit seinen Eltern, Monika und Walter Haas, zusammen.
«Wo warst du gestern Abend?», will der Vater wissen. «Du bist zwar pünktlich nach Hause gekommen, aber du hast nach Rauch gestunken!»
«Fabian, warst du wieder bei diesem Philipp? Du weißt, er ist keine gute Gesellschaft für dich. Und das Rauchen ist auch nicht gut für dich. Du hast es dann schnell mit den Bronchien. Das weißt du doch!» Auch die Stimme der Mutter hat einen besorgten Klang.
«Philipp ist in Ordnung!» Trotz liegt in Fabians Stimme.
«Wenn ich das höre», erregt sich sein Vater. «Wenn ich das höre! Wie der aussieht! Einen Ring durchs Ohr, einen in der Augenbraue …»
«… lass ich mir auch machen!»
«Fabian!», ruft die Mutter entsetzt. «Das gibt doch Wunden. Dann kann man sich leicht anstecken. Bitte lass das!»
«Also, so ’n Ding im Gesicht, und du brauchst gar nicht mehr nach Hause zu kommen. Ich mach mich doch nicht lächerlich mit dir!» Und zu seiner Frau gewandt: «Du warst zu sanft mit ihm. Das haben wir nun davon!» Er atmet tief aus, Fabian wirkt unbeteiligt.
«Und was hast du bei Philipp gemacht?», fragt der Vater.
«Geredet!»
«Was? Geredet?»
Fabian nickt.
«Aber man redet doch nicht drei Stunden?»
«Doch!»
«Und worüber habt ihr geredet?», versucht es die Mutter besänftigend.
«Über alles!»
«Was ist ‹alles›?» Walter Haas ist ungeduldig.
«Über alles eben!»
«Und dann habt ihr auch geraucht?», fragt die Mutter vorsichtig.
«Ich nicht!»
«Und getrunken?» Ein unsicherer Klang liegt in ihrer Stimme.
«Ja!»
«Was habt ihr getrunken?», fragt der Vater.
«Cola!»
«War da etwa Alkohol drin?»
«Nein!»
«Wenn du uns nicht mehr erzählen willst oder das etwas ausführlichermachst, dann ist mit deinem Philipp Schluss. Schließlich sind wir deine Eltern», poltert der Vater los – lauter, als er es wohl vorgehabt hat.
Monika Haas will die Hand
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