Puck
Verbot des Verkehrs mit der Zivilbevölkerung, begann bereits sehr zu bröckeln. Überall spielte man mit Kindern. Sie kauten Schokoladenriegel, kletterten auf den Tanks herum, und einige Weiblichkeit, die sich auf die Straßen wagte, erntete anerkennende Pfiffe. In den ganz abgelegenen Winkeln begann man sogar schon um Hüte mit Gamsbart und Lederhosen zu handeln.
Der Colonel war ein überraschend junger Mann, der eine kurze Jacke mit Pelzkragen trug und schnell auftaute. Er beschlagnahmte das Haus. Sogar eine Anzahl Kartons mit Rationen wurde für uns nach oben geschafft. Während das geregelt wurde und Sigrid und Emmerich ihre Interviews machten und dann bei uns ihre Berichte tippten, ging das Marschieren weiter. Immer neue Glieder des gewaltigen Heerwurmes wälzten sich durch das Städtchen nach Süden und betrachteten voller Neid das Regiment, das sich schon einzurichten begann. Es fehlte nicht an den entsprechenden Bemerkungen, die zwischen den diversen Truppenteilen hin- und herflogen.
Tage später, als die Freunde längst weitergezogen waren, kam der Colonel und machte Besuch. Er brachte einen Major Taylor mit, Harvard-Student und Sohn reicher Eltern. Der Major entdeckte die beiden nachgelassenen Skulpturen des seligen Professors und kaufte sie für einen Preis, der uns astronomisch schien.
Ganz langsam begannen sich die Verhältnisse wieder etwas einzurenken. Ich machte längere Spaziergänge, auch die beiden Frauen kamen allmählich wieder zu Kräften. Puck, am schnellsten von uns dreien erstarkt, hatte irgendein geheimnisvolles Betätigungsfeld in der Nähe des Hauses gefunden, von dem er stets über und über mit Erde verkrustet heimkehrte. Da auch seine Krallen ganz abgesplittert waren, vermutete ich einen Fuchsbau, aber ich kam der Sache nicht auf die Spur, weil Puck immer steil bergauf verschwand und ich mich solchen Klettertouren noch nicht gewachsen fühlte.
Er hatte auch noch eine andere Ablenkung, die mich sogar direkt eifersüchtig machte. Es war dieser Major Taylor, der die beiden Skulpturen von der Professorin gekauft hatte und seitdem ein immer häufigerer Gast des Hauses wurde. Major Edward Taylor, schlank, sehnig, rothaarig, war in jeder Beziehung ein feiner Kerl, mit dem mich bald eine enge Freundschaft verband, zumal wir viele geistige Interessen gemeinsam hatten.
Eines Tages äußerte Ed den Wunsch, eine Bergpartie zu unternehmen. Zu diesem Behufe verordnete ich ihm Alois, der auch pünktlich und in freudiger Erwartung von Zigaretten, Whisky und Kaffee erschien. Ich würde mit Puck dien die Expedition bis an die Felsen begleiten, erklärte ich. Vor dem Aufbruch gab es noch viel Gelächter, als wir Edward zünftig mit Gamsledernen und Stutzen ausstaffierten.
Puck war schnell voraus, kam von oben wieder heruntergerast, winkte uns mit dem Kopf seitwärts ab.
»Er hat da irgendwas für ihn anscheinend ganz Wichtiges gefunden«, erklärte ich Edward auf englisch. Der lachte: »O.K., gehen wir mal hin, und du zeigst es uns, Puck.« Er stieg uns voran, den Berg hinauf. Ich wollte ihm folgen, fühlte aber Alois’ Hand eisenhart an meinem Arm. Ich drehte mich um. Er war käsebleich, zeigte dann mit der Halblangen auf den Major: »Verstehd er Deitsch?«
»Glaube ich nicht. Wieso?«
»Da obn ham ‘a die Büxn vergrabn.«
»He — kommt doch mal her!« rief Edward von oben.
Alois packte mich wieder am Arm: »Du, wenn des’ rauskimmt durch dei Sauviech, des kost’ uns de Büxn und noch dazue ‘s Zuchthaus! Moanst, er schiaßt, wenn i mi jetzt schleich?«
»Er hat ja gar nichts zum Schießen dabei. Außerdem ist er ein Gentleman.«
»A — wos? Na, is ja Wurscht. Alsdann — des mußt scho du wissn.« Damit schwang er sich in die Höhe, zog auch mich mit einem Ruck nach.
Wir standen vor einer Höhle. Ihren sandigen Boden hatte Puck kunstvoll zur Seite gegraben, und nackt und bloß stand da die sargähnliche Kiste, die die Felsentaler mit den Mulis damals in der Nacht hinaufgefahren hatten. Neben der Kiste, auf dem Erdwall, den er aufgetürmt hatte, saß Puck mit vor Stolz wackelnden Hosen.
Major Taylor klopfte mit dem Bergstock nachdenklich gegen die Kiste: »Gehört dir das?«
»Nein«, sagte ich heiser.
»Was, schätzt du, ist da drin?«
»Er fragt, was da drin ist«, sagte ich zu Alois.
Der wischte sich die Stirn: »Sag eahm, er ko die saudumma G’wahr selber b’haltn, wenn er uns bloß net ei’kastelt.«
Ich drehte mich zu Taylor um: »Alois sagt, es sind Gegenstände von
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