Pulphead
wollte ihn lediglich kurz berühren. Weißt du, für mich ist das der interessanteste Teil des Körpers.«
Er machte eine Pause und sagte »Ja«, als würde er diesen Satz in Gedanken prüfen und für gut befinden.
»Ich weiß, dass du jetzt das Mädchen hast«, fuhr er fort. »Die Frau bietet dem Mann die Dinge, die er braucht, ein Zuhause und Kinder. Und sie ist ein hübsches Mädchen. Ich selbst habe in dieser Sache wohl nicht die richtigen Entscheidungen getroffen.«
Ich verzog mich nach unten ins Bett.
Kurz danach zog ich aus. Er war ebenfalls der Meinung, dass es zum Besten war. Ich schrieb mich wieder an der Uni ein. Man fand jemanden anderen, der bei ihm wohnte. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits eine medizinische Angelegenheit, häusliche Pflege. Ich fuhr jede Woche raus, um ihn zu besuchen, und würde gerne glauben, dass ihm diese Besuche gefielen, aber die Dinge hatten sich geändert. Er konnte seine Formalität auf Zehntelgrade genau einstellen, damit man wusste, wo man stand.
Vielleicht muss man bei einem zweiundneunzigjährigen Mann gar nicht anmerken, dass sein Sterben begann, aber Lytle war das ganze Jahr sehr lebendig gewesen, vehement lebendig sogar. Es gab einige überflüssige kleinere Operationen, die ihn zurückwarfen. Seltsam, wie die Lebenden den Sterbenden auf die Sprünge helfen. Eines Nachts stürzte er direkt vor meiner Nase. Er stand mitten im Zimmer auf einem rutschigen Teppich, und ich ging auf ihn zu, um ihm ein Glas aus der Hand zu nehmen. Eine Sekunde später lag er mit gebrochenem Ellenbogen flach auf dem Rücken, der Arm schwoll an und wurde über Nacht schwarz. Seine Augen verloren ihren Glanz und wurden matt. Unterschiedliche Leute wechselten sich am Krankenbett ab, sie schliefen oben bei ihm, darunter auch der weißhaarige Professor, dessen Treue niemals ins Wanken geraten war. Auch ich blieb ein paar Nächte dort. Ich machte mir keine Sorgen, dass er wieder etwas versuchen würde. Er war ruhig, und man konnte sehen, dass er sich vorbereitete. Sein Schwiegersohn erzählte mir später, dass Lytle am Tag vor seinem Tod meinen Namen gesagt hatte.
Als der Sarg fertig war, holten die Männer vom Bestattungsunternehmen ihn mit einem Leichenwagen ab. Spätnachts kam ein Anruf, dass sie Lytles Leichnam nun einbalsamiert hätten. Er liege in der Kapelle, und wenn Roehm bereit sei, könne er kommen und den Deckel verschließen. Wir alle, die mit ihm an dem Sarg gearbeitet hatten, begleiteten ihn. Der Bestatter führte uns in einen erleuchteten Flur abseits des Kühlraums. Bei uns war ein alter Freund Lytles namens Brush, der für die Universitätsverwaltung arbeitete, ein kleingewachsener, lebhafter und muskulöser Mann mit jungenhaftem dunklem Haar, der immer eine Fliege trug. In einem Bowlingkugelbeutel hatte er, so nonchalant wie möglich, eine ausgezeichnete Flasche Whiskey mitgebracht.
Brush atmete tief ein, langte in den Sarg und stopfte die Flasche zwischen Lytles Rippenkäfig und seinen linken Arm. Er
drehte sich um und sagte: »Dann hört man die Flasche nicht, wenn wir ihn aus der Kirche rollen.«
Roehm hielt einen wuchtigen Elektroschrauber in der Hand. Er schien nicht zu der handwerklichen Methode zu passen, mit der er den Rest des Jobs erledigt hatte, aber für Kieferndübel hatte seine Zeit nicht mehr gereicht. Wir standen an Lytles Leichnam. Sanford küsste ihn als Erster. Als wir alle fertig waren, setzten wir den Deckel auf den Sarg, und Roehm schraubte ihn fest. Jemand wünschte dem alten Mann eine gute Reise. In einem Nachruf in der folgenden Ausgabe der Sewanee Review hieß es, dass mit Lytles Tod »die Konföderation zu guter Letzt ihr Ende erreicht hat.«
Er erschien mir danach noch einmal, zweieinhalb Jahre später in Paris. Es ist nicht so, dass ich die Stadt kennen würde oder schon oft besucht hätte. Er kannte Paris gut. Ich stieg eine Treppe von der Metro hinauf ins Sonnenlicht, am linken Arm meine Freundin, die ich später heiraten sollte, als ich seiner Anwesenheit ungefähr einen halben Meter rechts von mir mit allen Sinnen gewahr wurde. Ich konnte ihn nicht direkt ansehen: Ich musste ihn am Rande meines Sichtfelds lassen, sonst wäre er verschwunden. Das war unsere stille Übereinkunft. Ich konnte erkennen, dass er zwar nicht jung war, aber immerhin zwanzig Jahre jünger als zu der Zeit, als ich ihn gekannt hatte, auf seiner Nase die schwarze Ingenieursbrille, die damals getragen hatte. Mit ernstem Blick stieg er die Stufen hinauf ins Licht, wo
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