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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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soziale Dynamik, die sich in der atlantischen Welt des 18. Jahrhunderts vor seinem Fenster entfaltete und in der »sich die Verhältnisse und Geschicke von Männern und Familien ständig ändern; wir sahen, wie die Kinder reicher Leute innerhalb weniger Jahre in
Not und Elend stürzten und die ihrer Diener zu Landgütern kamen«.
    Franklin schlug eine Einrichtung vor, die »ohne Entgelt« die beste medizinische Versorgung für alle bieten sollte (»Ernährung, Behandlung, Rat und Medizin«), ganz gleich, ob »Bürger der Provinz oder Fremde«, sogar »arme, kranke Ausländer«, deren steigende Anzahl und »ungebührliche Manieren« viele in der Kolonie beunruhigten (Franklin eingeschlossen, der schrieb, bald müsse jedermann Deutsch lernen).
    Franklin hatte eine ganze Liste von Gründen – er liebte Listen –, aber letztlich lief es auf etwas sehr Grundlegendes hinaus, nämlich dass es völlig inakzeptabel sei, Menschen leiden zu lassen, weil sie sich Hilfe, die prinzipiell zur Verfügung stand, nicht leisten konnten. Das scheine ihm »grundlegend für den wahren Geist der Christenheit«, schrieb Franklin, »und sollte für alle gelten, ob sie es verdienen oder nicht, soweit es in unserer Macht steht«.
    »Ihr müsst es bauen«, sagte Franklin zu der Versammlung.
    »Nein«, sagte das Parlament, »Sie müssen das mit privaten Spenden schaffen. Wir können keine Steuern von der Landbevölkerung eintreiben, um damit ein Krankenhaus in der Stadt zu errichten.«
    »Das wird nicht gehen«, sagte Franklin, »so viel Geld wird man nie auftreiben können, eine vernünftige Gesundheitsversorgung ist teuer.« Er erinnerte an die »entlegenen Teile dieser Provinz«, in denen »Behandlung nur um einen Preis bereitgestellt werden kann, den weder sie [die kranken Armen] noch ihre Gemeinden aufbringen können«.
    Außerdem, schrieb Franklin, »ist die Linderung, die ein einzelner Mann den Kranken verschaffen kann, klein, verglichen mit der, die man gemeinsam erreicht«.
    »Das Volk wird dem niemals zustimmen«, sagten die Parlamentarier. Doch Franklin wusste, dass die Mehrheit bereits auf seiner Seite war. Er kannte das Volk.
    »Mein Vorschlag«, sagte er zu den Parlamentariern, »sieht folgendermaßen aus: Wenn ich und meine Mitstreiter soundso viel Geld auftreiben [er nannte eine für die damalige Zeit enorm hohe Summe], legt ihr dieselbe Summe oben drauf, und wir bringen das Projekt auf den Weg.«
    »Einverstanden!«, sagten die Parlamentarier. Sie wussten, dass Franklin niemals die Mittel auftreiben würde. Sie konnten sich großzügig geben, ohne einen Penny aufwenden zu müssen.
    Franklin zog los und warb in kurzer Zeit eine deutlich höhere Summe als jene ein, die er vor dem Parlament genannt hatte. Er nutzte den leicht kompetitiven Ansatz seines Spendenmodells aus, um die Gaben in die Höhe zu treiben. Sie haben behauptet, wir würden das niemals schaffen! Darauf hatten die Menschen nur gewartet. Das Parlament, in das Franklin selbst bald gewählt werden würde, war mitsamt den dort vertretenen Interessengruppen übertölpelt worden. Niemals habe ein Schwindel in ihm so wenig Schuldgefühle hervorgerufen, sagte Franklin später.
    So bekamen wir: das Pennsylvania Hospital. Daraus entstand: die amerikanische Chirurgie. Daraus entstand: die amerikanische Psychiatrie.
    Ein Jahr später, 1752, kam ein weiterer Freund zu Franklin, der ebenfalls eine Idee hatte, die sich vernünftig anhörte: die moderne Privatversicherung.
    Bei der Bürgerversammlung hielt eine Frau ein Schild hoch, auf dem stand: » NEIN ZUR VERSTAATLICHUNG DES GESUNDHEITSSYSTEMS !«
     
    Bei der Hochzeit einer gemeinsamen Cousine traf ich meinen Vetter wieder. Vierhundert Gäste, Abendgarderobe, Empfang im altehrwürdigen Club, eine Soulband, die man direkt aus dem Jahr 1967 auf die Bühne gebeamt hatte. Es war großartig. Ich habe eine schwarz-weiße Katze mit schwacher Blase, und
diese Katze hatte auf meine Fliege gepinkelt, also trug ich nur eine schwarze Krawatte zum Smoking. Einer meiner Onkel packte mich am Schlips und sah sich nach Publikum um. »Seht mal«, rief er, als sei er beeindruckt, »fast dem Anlass angemessen!«
    Ich hatte das Town Hall Meeting, die Demonstration und die Tea-Party-Kundgebungen mit dem Gefühl verlassen, dass trotz des ganzen Krypto-Rassismus und trotz aller Witze über Waffen und so weiter nichts Ernsthaftes zu befürchten stand, zumindest nicht mehr als sonst – und mit Sicherheit drohte keine Neuauflage des

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