Pulphead
ihnen Äcker oder Häuser besaß, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte«.)
Die Frau neben mir sah mich an, als hätte ich sie angerülpst.
»Wirklich!«, sagte ich.
Der nächste Redner war finster, leise und bärtig, eine Studie in Braun und Khaki. Er ging langsam nach vorne. Er hatte auf diesen Moment gewartet. »Ich habe eine Frage«, sagte er zu Perriello. »An welcher Stelle der Verfassung steht, dass wir dafür sorgen müssen, dass alle krankenversichert sind?«
Perriello hatte die übliche linke Antwort auf diese Frage bereits gegeben (ich vermute mal, dass die Verfassung ein Betriebssystem ist für die weitere Vollendung des niemals enden
den amerikanischen Projekts, keine Kette, die uns an die Geschichte fesselt). Der Abgeordnete verwies auf seine frühere Antwort. »Darüber haben wir bereits gesprochen«, sagte er.
»Danke«, sagte der Mann. »Das beantwortet meine Frage.« Großer Jubel im Saal.
Mir gefiel die Frage des Mannes. Sein Verhalten war für die Situation zwar um ein Vielfaches zu feindselig gewesen, er verkörperte allerdings einen interessanten Aspekt der Entwicklung, die die Debatte um die Gesundheitsreform in diesem Jahr genommen hatte. Anders als bei den meisten Fragen von nationaler Bedeutung, anders sogar als bei den Kriegen, kann man darüber nicht diskutieren, ohne über den Wesenskern Amerikas zu reden. Zum ersten Mal in den einhundert Jahren, in denen diese Forderung ein erklärtes Ziel progressiver Amerikaner gewesen ist (zunächst der Katholiken, später der Arbeiter- und Bürgerrechtsbewegung und schließlich der Verbraucherschützer), haben wir die Mittel und mancherorts den Willen, ein wirklich universelles Gesundheitssystem zu installieren, etwas, das nach Benjamin Disraeli »wenn nicht die erste, dann auf jeden Fall eine der ersten Erwägungen eines Staatsmannes« sein muss. Eine Mehrheit der Bürger – keine große, aber eine stabile – behauptet, dass sie das will, und entweder machen wir das jetzt oder wir lassen es bleiben. In Momenten wie diesem wird einem klar, dass wir immer noch innerhalb der Matrix eines Gedankenexperiments leben, das politische Philosophen im Zeitalter der Aufklärung formuliert haben (wir sind praktisch die Untersuchungsobjekte dieses Experiments), und jetzt stellen wir dieses Experiment in Frage. »Was würden die Gründungsväter tun?« ist nicht länger eine rein akademische Frage, sondern in gewisser Weise der alles entscheidende Punkt. Ist Amerika ein Land, in dem man das macht? In dem man sich um alle kümmert? Oder ist das nicht unser Weg?
Wie es der Zufall will, wurde auch der Über-Gründungsva
ter Benjamin Franklin im Jahre 1751, kurz vor der Publikation seiner ersten Schriften zur Elektrizität, in eine ganz ähnliche Diskussion über eine Gesundheitsreform und ihre öffentliche oder private Finanzierung verwickelt. Thomas Bond, ein befreundeter Chirurg, wandte sich mit dem Vorschlag an ihn, sich im Parlament Pennsylvanias für den Bau eines Hospitals für arme Kranke in Philadelphia einzusetzen, ein Krankenhaus mit fortschrittlichen Methoden, wie Bond sie in England und am Hôtel-Dieu in Paris kennengelernt hatte.
Bond wusste, dass Franklin zwar andauernd von Plänemachern belagert wurde, dass er neuen Dingen aber nicht abgeneigt war, wenn er sie für sinnvoll hielt. Der Arzt stellte in seinem Vortrag das Gute in den Vordergrund, das eine solche Institution für die ganze Provinz würde bewirken können. Behandle die kranken Armen, und du hast weniger Arme, da Krankheit dauerhaft in die Armut führt oder verhindert, dass man ihr entkommt. Das ist das eine. Zudem brechen Epidemien häufig unter den Armen und Notleidenden aus. Man könnte sie so schneller eindämmen. Die städtischen Hospitäler wären eine harte Schule für Ärzte, die Nachwuchs ausbilden könnten, der ihre Kunst dann aufs Land oder in die besten Kliniken weitertragen würde. Alles Argumente, um Franklin anzuspornen.
In der von ihm gegründeten Pennsylvania Gazette und in seinen Reden vor dem Parlament bereitete Franklin die Angelegenheit wochenlang vor. Zuallererst müsse man sich klarmachen, dass es so etwas wie »die Armen« gar nicht gebe. Armut sei eine Zwischenstation, die jeder Mensch passieren müsse, auch Ehrenmänner und -frauen. »In dieser Welt sind wir einander wechselseitig Gastgeber«, sagte er, und verwies auf die uns heute so vertraute explosive
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