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Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Scholze
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schwarzen Rock, darüber einen mintfarbenen Wollpullover. Um den Hals hatte sie sich einen hellbraunen Schal gelegt. Sie saß auf einem Hocker und wartete. Als Anja ihr Handy herausholte, um den Stand zu fotografieren, sprang sie wild gestikulierend auf und rannte in ihre Richtung. Dabei rief sie immer wieder »No ... No«. Anja hob entschuldigend die rechte Hand und steckte das Handy weg. »Disculpe«, sagte sie in Richtung der jungen Bolivianerin und wählte ihren weiteren Weg so, dass sie möglichst schnell aus ihrer Sichtweite kam.
    Anja musste immer wieder stehen bleiben. Sie war erstaunt, dass sie sich trotz des ständigen Aikidotrainings so fertig fühlte. Vielleicht hatte sie doch die Höhe unterschätzt? Sie kam wieder zur Avenida Illiampu. Sie erkannte die alten Frauen auf den Hockern, die Geldscheine in den Händen hielten und immer wieder »Dollares ... Dollares ... Dollares« vor sich hinmurmelten. Noch wenige Schritte und sie war wieder am Hotel.

    Anja hatte an einem Tisch an der Fensterfront Platz genommen. Das Restaurant lag im obersten Stockwerk des Hotels. Wenn sie links neben sich herab schaute, konnte sie sehen, was auf der Straße passierte. »Wenn es jetzt ein starkes Erdbeben gibt ...«, dachte sie. Draußen war es dunkel. Sie genoss den Blick über die Lichter von La Paz. Sie sah die Iglesia und versuchte sich daran zu orientieren. Am Nachbartisch saßen zwei Touristen. Anja hatte Gesprächsfetzen mitbekommen. Er musste aus Japan stammen, sie aus Australien. Vor ihnen lag eine Ausgabe der Presencia auf dem Tisch, über die sie ausdauernd diskutierten. Nachdem sie gegangen waren, stand Anja kurz auf, um sich das liegen gebliebene Exemplar zu nehmen. Sie fand sofort den Artikel über ein Busunglück. Morgens, gegen 04:30 Uhr sei der Bus 150 m in die Tiefe gestürzt. 32 Menschen tot, 19 schwerverletzt.
    »Das ist nichts Außergewöhnliches. Das passiert hier immer wieder«. Hinter ihr tauchte Nathans Stimme auf. »Ich habe gerade einen Fernsehbericht gesehen. Grauenvoll. Es heißt, der Regen wäre schuld. Immer das Gleiche. Die Straßen sind teilweise atemberaubend schmal und rutschig. Dann gibt es Erdrutsche. Schau Dir die Busse auf der Straße an. Sie sind technisch teilweise in katastrophalem Zustand. Und die Busfahrer? Du siehst ihnen nicht immer an, dass die schon 30 Stunden auf den Beinen sind - zumal sie teilweise erst unterwegs einsteigen. Bei solchen Unfällen denkt niemand hier an Außergewöhnliches. Es passiert halt«, sagte Nathan, als er Platz nahm.
    »Hallo, was hast du so gemacht ?«
    »Hingelegt und ausgiebig geschlafen. Und Du?«
    »Ich habe mir einen ersten Eindruck von La Paz gemacht. Gefällt mir .«
    Anja hatte nicht bemerkt, dass es sich draußen zugezogen hatte. Ein entferntes Donnern lenkte ihren Blick wieder nach draußen. Regentropfen liefen bereits die Scheiben hinunter.
    »Da bekommen wir ja richtig etwas geboten, und sitzen dazu noch in der ersten Reihe .« . Nathan begann, von seinen früheren Reisen zu erzählen. Zwischendurch bestellten sie sich, etwas zu essen. Anja lauschte fasziniert den Erlebnissen Nathans. Als sie nach unten schaute, war das Leben auf den Straßen so ziemlich zum Erliegen gekommen. Das Gewitter näherte sich unaufhaltsam. Blitze zuckten über den Nachthimmel, kurze Zeit später Donner. Ein spektakuläres Schauspiel. Anja musste dabei an das Busunglück denken.
    »Meinst Du, dass die solch ein Wetter hatten, als sie abgestürzt sind ?«
    »Mach Dir doch deshalb keine Gedanken. Du musst wissen, dass die Busse häufig nachts fahren. Eine Beleuchtung der Straßen ist nicht vorhanden. Du kannst hier Straßen erleben ... sie sind in den Felsen gehauen. So schmal, dass man sich nicht begegnen kann. Auf der anderen Seite geht es tief abwärts. Wenn du reist, musst du Dir sorgfältig das Unternehmen aussuchen. Wie gesagt, die Fahrer steigen erst später zu. Da hast du keine Möglichkeit noch eine Entscheidung zu treffen. Da sitzt du bereits im Bus. Der Regelfall ist aber, dass die Busse am Ziel ankommen und nicht abstürzen. In Bolivien sind Busse ein wichtiges Transportmittel. Und die Bolivianer sind kein Volk, dass Spaß an kollektivem Selbstmord hat. Reise mit dem Bus und du lernst das Land kennen«.
    Anja starrte nach draußen. Sie hatte sich schon in Deutschland entschieden, in Bolivien nicht selbst zu fahren. Sie würde Busse nehmen, weil sie so am unauffälligsten reisen könnte, weil sie so am flexibelsten reagieren konnte, weil es bequem

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