Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
sie scharf fixiert.
»Natürlich nicht«, sagte sie. »Außerdem – wenn ich mit ihm konkurrieren wollte, hätte ich doch wohl Ja gesagt.«
»Ich habe ja nicht gesagt, dass du mit ihm konkurrieren willst«, stellte Hadley klar. »Ich habe mich eher gefragt, ob du wohl immer noch wartest, dass er zurückkommt.«
Mom nahm die Lesebrille ab. »Dein Vater …« Sie brach ab, setzte neu an. »Wir haben uns gegenseitig wahnsinnig gemacht. Und ich habe ihm immer noch nicht wirklich vergeben, was er getan hat. Ein bisschen werde ich ihn immer lieben, vor allem deinetwegen, aber das alles ist nicht ohne Grund passiert, verstehst du?«
»Aber trotzdem willst du Harrison nicht heiraten.«
Mom nickte.
»Aber du liebst ihn.«
»Oh ja«, sagte sie. »Sehr sogar.«
Hadley schüttelte verständnislos den Kopf. »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
»Das soll es ja auch gar nicht«, sagte Mom lächelnd. »Liebe ist die seltsamste, unlogischste Sache der Welt.«
»Ich rede doch nicht von Liebe«, sagte Hadley. »Sondern von Ehe.«
Mom zuckte die Achseln. »Die ist noch viel schlimmer.«
Jetzt steht Hadley neben dieser kleinen Kirche in London und sieht ein junges Brautpaar auf die Stufen hinaustreten. Sie hat das Handy noch am Ohr und lauscht, wie es jenseits des Atlantiks klingelt, durch die Kabel rund um den Globus, und sie beobachtet, wie die Hand des Bräutigams die der Braut sucht, wie sie ihre Finger ineinanderflechten. Eine kleine, aber bedeutsame Geste: Die beiden treten der Welt vereint gegenüber.
Als wieder die Mailbox ihrer Mutter anspringt, lauscht sie seufzend der vertrauten Stimme, die sie bittet, eine Nachricht zu hinterlassen. Fast unbewusst dreht sie sich in Richtung Westen, als würde sie das ihrem Zuhause näher bringen, und dabei bemerkt sie die schmale Spitze eines Kirchturms zwischen zwei weißen Häuserfassaden. Noch vor dem Piep klappt sie ihr Handy zu und lässt eine weitere Hochzeit hinter sich, hastet zur nächsten Kirche und weiß, ohne es wirklich zu wissen, dass dies die richtige ist.
Als sie ein Gebäude umrundet und sich zwischen den auf beiden Straßenseiten geparkten Autos hindurchgeschlängelt hat, bringt die Szenerie vor ihren Augen sie zum Stehen, und ihr ganzer Körper wird wie taub. Auf einem kleinen Rasenfleckchen thront die Marienstatue, auf der Oliver und seine Brüder nicht herumklettern sollten. Und drum herum hat sich in kleinen Grüppchen eine Menge Menschen versammelt, gekleidet in verschiedene Schattierungen von Schwarz und Grau.
Hadley bleibt in sicherer Entfernung stehen, ihre Füße kleben am Bürgersteig. Da sie jetzt hier ist, kommt ihr das Ganze wie die dümmste Idee aller Zeiten vor. Sie weiß, dass sie dazu neigt, ohne nachzudenken ins Wasser zu springen, aber jetzt wird ihr klar, dass man bei so einer Veranstaltung nicht aus einer Laune heraus aufkreuzt. Dies ist kein Ziel für einen Spontanausflug, sondern der Schauplatz eines tieftraurigen, schrecklich endgültigen Ereignisses. Sie schaut an ihrem Kleid hinab, dessen helles Lila viel zu fröhlich für den Anlass ist, und will sich schon wieder abwenden, als sie jenseits des Rasens Oliver entdeckt und ihr der Mund trocken wird.
Er steht neben einer kleinen Frau und hat ihr leicht den Arm um die Schultern gelegt. Hadley nimmt an, das muss seine Mutter sein, doch als sie genauer hinsieht, verschiebt sich das Bild, und sie merkt, dass es gar nicht Oliver ist. Die Schultern sind zu breit, das Haar zu hell, und als sie die Augen mit der Hand gegen die Sonne abschirmt, erkennt sie auch, dass der Mann viel älter ist. Trotzdem zuckt sie zusammen, als er zu ihr herüberschaut und ihre Blicke sich über den Kirchhof treffen. Es ist zwar klar, dass es einer von Olivers Brüdern sein muss, aber seine Augen wirken auch erstaunlich vertraut. Hadleys Magen hüpft, und sie stolpert rückwärts, duckt sich wie eine Verbrecherin hinter eine Hecke.
In ihrem Sichtschutz erreicht sie die Seite der Kirche und steht vor einem schmiedeeisernen Zaun mit wilden Weinranken. Dahinter liegt ein Garten mit Obstbäumen und vereinzelten Blumen, einigen Steinbänken und einem ausgetrockneten, rissigen Springbrunnen. Sie geht mit der Hand am Zaun ums Grundstück herum – das Metall fühlt sich angenehm kühl an –, bis sie ans Tor gelangt.
Über ihr schreit ein Vogel, und Hadley schaut ihm zu, wie er langsame Kreise am belebten Himmel zieht. Die Wolken sind dick wie Watte, von der Sonne silbern umrandet, und sie erinnert sich an
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