Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
Olivers Erklärung am Ende des Fluges, das Wort formt sich in ihrem Geist: Kumulus . Die Wolke, die in Wirklichkeit genauso aussieht, wie man sich eine Wolke vorstellt.
Als sie den Blick wieder senkt, steht er im Garten, als hätte sie ihn herbeigeträumt. Im Anzug wirkt er älter, bleich und ernst, er scharrt mit der Schuhspitze im Erdboden, die Schultern hochgezogen, den Kopf gesenkt. Hadley sieht ihn an und spürt eine so heftige Welle der Zuneigung, dass sie beinahe laut nach ihm ruft.
Doch ehe sie irgendetwas tun kann, dreht er sich zu ihr um.
Irgendwas an ihm ist anders, ist gebrochen, die Leere in seinem Blick sagt ihr, dass es ein Fehler war, zu kommen. Doch seine Augen halten sie fest, nageln sie an den Boden, und sie ist hin- und hergerissen zwischen Fluchtinstinkt und dem Drang, zu ihm zu laufen.
Eine lange Zeit stehen sie so da, still wie die Statuen im Garten. Und da er ihr kein Zeichen gibt – keine Begrüßungsgeste, kein Zeichen des Verlangens – schluckt Hadley heftig und trifft eine Entscheidung.
Doch gerade als sie sich zum Gehen wendet, hört sie seine Stimme hinter sich, und das Wort ist wie das Öffnen einer Tür, wie ein Ende und ein Anfang, wie ein Wunsch.
»Warte«, sagt er, und sie wartet.
13
10:13
EASTERN STANDARD TIME
15:13
GREENWICH MEAN TIME
»Was tust du hier?« Oliver starrt sie an, als könnte er noch nicht ganz glauben, dass sie wirklich da ist.
»Ich habe es nicht begriffen«, sagt Hadley leise, »im Flugzeug …«
Er senkt den Blick.
»Ich habe es nicht begriffen«, wiederholt sie. »Es tut mir leid.«
Er nickt in Richtung der Steinbank ein paar Meter weiter, deren raue Sitzfläche noch feucht ist vom Regen. Sie gehen zusammen hin, die Köpfe gesenkt, während in der Kirche die Trauerklänge einer Orgel anheben. Sie will sich gerade hinsetzen, als Oliver sie zurückhält, rasch sein Jackett auszieht und auf die Bank legt.
»Dein Kleid«, sagt er erklärend, und Hadley schaut stirnrunzelnd an sich herunter, als hätte sie die lila Seide noch nie gesehen. Die einfache Geste zerreißt ihr das Herz noch ein bisschen mehr: Dass er in so einem Augenblick an etwas so Banales denken kann. Weiß er nicht, dass ihr nichts so egal ist wie dieses dämliche Kleid? Dass sie sich für ihn mit Freuden auf den Rasen legen, sich ein Bett auf der Erde machen würde?
Sie findet keine Worte, sein Angebot abzulehnen, und setzt sich, fährt mit den Fingern über die weichen Falten seines Jacketts. Oliver steht vor ihr, krempelt zuerst einen Hemdärmel, dann den anderen hoch, sein Blick ist irgendwohin jenseits des Gartens gerichtet.
»Musst du wieder zurück?«, fragt Hadley, und er zuckt die Achseln. Als er sich zu ihr setzt, lässt er eine Handbreit Platz zwischen ihnen.
»Wahrscheinlich«, sagt er und beugt sich vor, stützt die Ellbogen auf die Knie.
Aber er rührt sich nicht vom Fleck, und nach kurzer Zeit lehnt Hadley sich ebenfalls nach vorn, und beide betrachten das Gras vor ihren Füßen mit unnatürlichem Interesse. Sie hat das Gefühl, dass sie ihm eine Erklärung für ihr Auftauchen schuldet, aber er fragt nicht danach, also bleiben sie einfach so sitzen, und das Schweigen dehnt sich zwischen ihnen.
Daheim in Connecticut steht ein Vogelbad direkt vor ihrem Küchenfenster, und beim Abwaschen hat Hadley immer daraufgeschaut. Die häufigsten Besucher waren zwei Spatzen, die sich jedes Mal darum stritten, wer als Erster hineindurfte – erst hüpfte einer laut tschilpend um den Rand, während der andere badete, dann umgekehrt. Gelegentlich schoss einer auf den anderen zu, beide schlugen mit den Flügeln und wichen wieder zurück, kräuselten die Wasseroberfläche. Aber obwohl sie eigentlich die ganze Zeit zankten, kamen sie immer zusammen an und flogen auch gemeinsam wieder weg.
Eines Morgens sah sie zu ihrer Überraschung nur einen der beiden Vögel. Er landete leichtfüßig am Rand des Beckens und tanzte ums Wasser herum, ohne es zu berühren, drehte den runden Kopf hierhin und dorthin und machte einen so verstörten Eindruck, dass Hadley vor lauter Mitleid zum Himmel hinaufgeschaut hatte, obwohl sie genau wusste, sie würde ihn leer finden.
Ein wenig wirkt Oliver im Moment auch so, gedankenlos verwirrt, eher verloren als traurig. Hadley wurde noch nie so unmittelbar mit dem Tod konfrontiert. An ihrem Familienstammbaum fehlen erst drei Äste, und die gehören zu Großeltern, die entweder schon vor ihrer Geburt gestorben sind oder sie war noch zu klein, um ihr
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