Puppen
Hieroglyphen bestimmter Säulen
übersetzt und dabei folgendes festgestellt: In der
Vergangenheit Ihres Volkes gibt es Beispiele dafür, daß man angeblich unwürdigen Personen den Langen Schlaf und das Aufsteigen vorenthielt. Ihre Vorfahren wußten, worauf es dabei ankam.«
Ban starrte den Vulkanier verblüfft und schockiert an. »Man hat unwürdigen Personen den Langen Schlaf und das Aufsteigen vorenthalten? Ich kann mir kein Vergehen vorstellen, daß eine so gräßliche Strafe verdient. Wie soll es möglich sein, ohne die Verheißung eines anderen Lebens zu existieren?«
»Ich versichere Ihnen, daß es für mich nicht den geringsten Grund gibt, Sie zu belügen«, erwiderte Tuvok. »Unter anderen Umständen könnte ich Ihnen die Säulen mit den betreffenden Schriftzeichen zeigen, aber angesichts der Vibrationen ist der Aufenthalt im Tunnelsystem zu gefährlich. Nun, wichtig ist folgendes: Es gibt eine Möglichkeit, die Wirkung des Ambiana zu neutralisieren. Sie könnten Kayla mir überlassen. An Bord des Raumschiffs stehen uns hochentwickelte medizinische Hilfsmittel zur Verfügung. Ich bin sicher, daß wir Kaylas Selbst in die Realität zurückholen könnten.«
»Aber damit erwiesen Sie ihr keinen Gefallen«, betonte Ban.
»Der Lange Schlaf ist etwas Wundervolles. Durch ihn wird man eins mit der Harmonie der Alten, kann über das
bevorstehende Aufsteigen meditieren und sich auf eine ganz neue Existenz vorbereiten. Warum sollten Sie beabsichtigen, ihr so etwas zu nehmen?«
»Ihre Traditionen sind anders als unsere«, sagte Tuvok.
»Meine eigenen unterscheiden sich erheblich von denen
Kaylas, obgleich wir zur Crew des gleichen Raumschiffs gehören. Es ist durchaus möglich, daß Sie recht haben und Fähnrich Kayla etwas Wundervolles erlebt. Aber es ist auch möglich, daß sie einfach nur stirbt. Sie können in dieser Hinsicht keine Gewißheit haben, denn Kayla gehört nicht zu Ihrem Volk. Was sich bei Urrythanern auf eine bestimmte Weise auswirkt, könnte bei der von Ihnen entführten Frau zu ganz anderen Resultaten führen. Sie wollen Kayla Erleuchtung bringen, aber Sie riskieren dabei, ihr den Tod zu bescheren.«
»Den Tod?« wiederholte Ban. »Meinen Sie damit den
Endlosen Schlaf?«
»Das könnte in Ihrem Sprachgebrauch eine passende
Bezeichnung sein«, meinte Tuvok. »Ich möchte Kayla zu
ihrem Volk zurückbringen. Es hat eine eigene Religion, eigene Überzeugungen. Sie sind doch nicht so vermessen
anzunehmen, Ihr Glaube sei der einzig mögliche im
Universum, oder?«
Ban runzelte die Stirn und schwieg. Während er nachdachte, setzten sie den Weg durch den Tunnel fort, und nach einer Weile merkte Tuvok, wie die Dunkelheit allmählich
zurückwich. Frische Luft strich ihm übers Gesicht. Sie näherten sich der Oberfläche, und das bedeutete für den Vulkanier: Bald galt es zu entscheiden, was er unternehmen sollte. Derzeit schien er Ban und den anderen vertrauen zu können, doch die Situation mochte sich schnell ändern. Er mußte feststellen, ob Kayla noch lebte – und dann eine Möglichkeit finden, sie zur Voyager zu bringen. Tuvok wollte auf keinen Fall jemanden aus der Crew auf dem Planeten zurücklassen.
Die Vok tragenden Urrythaner sangen erneut, und diesmal klang es anders als zuvor. Tuvok vernahm einen monotonen und gleichzeitig melodischen Chorus, der zuerst den Eindruck erweckte, sich endlos zu wiederholen. Doch nachdem der Vulkanier eine Zeitlang aufmerksam gelauscht hatte, bemerkte er subtile Variationen. Die Unterschiede blieben minimal und offenbarten sich nur dann, wenn man sich ganz auf den Gesang konzentrierte.
Die Melodie verschmolz nicht in dem Sinne mit den
Vibrationen in den Wänden, wirkte vielmehr wie eine
Erweiterung davon. Energie knisterte in der Luft – eine Energie, die fast Substanz gewann. Tuvok spürte, wie sie in den Wahrnehmungsbereich seiner Sinne vordrang. Seine
früheren kurzen Kontakte mit der fremden Entität waren nichts im Vergleich zu dem, was er jetzt erlebte. Etwas versuchte, sich einen Weg in sein Bewußtsein zu ertasten. Dem Vulkanier gelang es, die Kontrolle über sein Ich zu bewahren und mentale Barrieren zu errichten, die ihn schützten, aber jenseits der geistigen Mauern spürte er ganz deutlich eine gewaltige Kraft.
Viele Stimmen formten den Chorus, aber es handelte sich nicht um unterschiedliche Faktoren eines Liedes, sondern vielmehr um Segmente eines Ganzen. Erstaunt stellte Tuvok fest, daß auch Kayla dazugehörte. Sie leistete keinen
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