Puppenbraut
fortschrittlichen New York City, die eine gleichgeschlechtliche Ehe seit 2011 zum Gesetz machte. Nur ein Jahr nach ihrer Hochzeit hielten sie die kleine Cassy im Arm. Von nun an wurden sie zur Familie.
Doreen überlegte, wann diese Zeit eigentlich vergangen war, dass Cassy so stark Tom, ihrem Ex-Mann, ähnelte. Zunächst sah sie in ihrem Kind fast nur den biologischen Vater. Mit der Zeit wurden ihre Gesichtszüge weiblicher, die Haarfarbe nicht mehr blond. Nach und nach wurde sie zu einer perfekten Kopie von Raffaella. Inklusive der Haarsträhne im Mund.
Manchmal stellte sich Doreen die Frage, ob sie der geeignete ‘Ersatz’ für Tom gewesen war.
Den Vater ihres gemeinsamen Kindes, Tom, traf sie ungefähr ein Jahr nach der beidseitigen Trennung wieder. Ganz klassisch, in einem Supermarket, erwachte ihre gemeinsame Freundschaft wieder, diesmal auf platonischer Ebene. Offenbar heilte die Zeit die Wunden und ließ etwas Wundervolles gedeihen. Vielleicht passierte es gerade deshalb, weil Tom sich in einer neuen, glücklicheren Beziehung befand. Einige Jahre später erwies er sich als sehr spendabel und verhalf Raffaella auf künstlichem Weg zu einem Kind.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit Doreens neu gewonnenem Freund. Die berufliche Versetzung nach Kanada bedeutete für Tom, dass er aus der Ferne, im Alleingang, das Leben seiner Tochter über Skype und ganz selten gewordene Besuche mitverfolgen konnte. Ganz abgesehen von seiner damaligen Beziehung, die an seiner Bereitschaft zur Vaterschaft gescheitert war. Tom bekam am Ende doch noch seine kleine Prinzessin, die seine geschiedene Frau aufwachsen sah. Für die wenige Zeit, die ihm mit seiner Tochter gegönnt war, war er ein sehr guter Vater, fand Ree.
„Der Kaffee sollte mit Milch sein, nicht wahr?“ Eine energische Stimme unterbrach abrupt Doreens Gedanken. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat!“
„Ähm.. Ja, genau! Mit Milch!“, stammelte Ree. Mit ihrem Blick suchte sie gleichzeitig nach ihrer Tochter. Cassy saß aber immer noch wie versteinert auf dem Boden und schaute die Zeitschriften durch. Nach diesem kurzen Schreck ermahnte sie sich, besser auf ihr Kind achtzugeben. Während sie sich dem heiß ersehnten Elixier hingab, hörte sie eine männliche, ihr nicht unbekannte Stimme im Hintergrund.
Kurz darauf erschien auch Dexter Gardener, der Kioskbesitzer.
„Ich habe gesagt, dass du heute doch etwas länger bleiben musst! Ich habe noch etwas zu erledigen, verdammt nochmal! So, jetzt muss ich noch ein paar andere Bilder... ähm.. Unterlagen mitnehmen. Wo habe ich die nochmal...“, grollte es im gesamten Laden. Offenbar gab es einen Hintereingang, den er vorhin benutzt hatte. Voller Hast lief Dexter ins Innere seines Kiosks und stieß beinahe mit Doreen zusammen.
„ ‘Tschuldigung“, murmelte er leise und sah sein Gegenüber verstohlen an. Bei diesem Anblick fielen ihm sämtliche Unterlagen aus der Hand. „Ähm, ähm…“, stotterte der so selbstsichere Mann, bevor er eiligen Schrittes aus seinem Laden hinausstürmte. Für Doreen gab es keinen Zweifel mehr darüber, dass er sie erkannt hatte. Sein Anliegen schien er, wie auch die auf dem Boden verstreuten Blätter, vollständig vergessen zu haben.
Die Verkäuferin sah Doreen perplex an. Beide wussten sie kein passendes Wort zu sagen, also schwiegen sie einen Augenblick.
„Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Entschuldigen Sie bitte!“ Die junge Frau schüttelte ungläubig den Kopf.
„Halb so schlimm“, beteuerte Doreen, während ihr Kopf die Geschehnisse einzuordnen versuchte. „Es ist wirklich gar nichts passiert!“
„Aber er ist sonst nie so... so...“ Mühsam versuchte das Mädchen, eine passende Beschreibung zu finden.
‘So stark emotional?’, beendete Doreen im Kopf. „Sie meinen, Herr Gardener ist nicht so tollpatschig?“, sagte sie stattdessen. „Das stimmt, ich hatte schon das Vergnügen, Ihren Chef kennenzulernen. Er ist wirklich nett...“ Die Lüge war einfach so herausgerutscht, ohne dass Doreen etwas tun konnte. Wann hatte sie angefangen, die Informationen so zu verdrehen, wie andere sie hören wollten?
Ein unbeteiligtes Nicken der Verkäuferin deutete sie als eine Art Zustimmung ohne innere Überzeugung. Nach einem großen Schluck der warmen Brühe, die dem eigen gemachten, frisch aufgebrühten Kaffee von Zuhause keinesfalls ähnelte, wandte sie sich an Cassy.
„Schatz, so langsam müssen wir los!“
„Kann ich die
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