Puppenbraut
langsam öffnete Doreen Bertani die Augen. Ihr Schädel pochte so sehr, dass sie dachte, er würde gleich in einzelne Atome zerspringen. Mit einem Handgriff wollte sie ihre Haare von der Stirn entfernen, doch sie konnte ihre Hand nicht mehr bewegen. Sie gehorchte ihr einfach nicht mehr. Was war bloß mit ihr los? Warum bereitete ihr plötzlich jede Bewegung so viel Mühe? Und diese furchtbaren Kopfschmerzen.
Doreen ahnte nicht im Geringsten, dass jede ihrer Bewegungen bereits von einer Person im Raum wahrgenommen wurde. Während der Mann ihr stillschweigend zusah, wie sie zunehmend ihr Bewusstsein wiedererlangte, genoss er wahrlich die Trägheit ihrer Bewegungen. Nun hatte er sie beide! Endlich hatte er eine Familie.
„Wo bin ich?“, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. Ihre Augen gewöhnten sich immer mehr an die Dunkelheit des Raumes. Schwache Sonnenstrahlen drangen durch die dicht gewebten Vorhänge. Dankbarkeit erfüllte sie, dass man ihr erspart hatte, sich noch auf die Helligkeit der untergehenden Sonne einzustellen. Der Herbst hatte den Sommer faktisch noch immer nicht abgelöst.
„Bei mir bist du! Wieder bei mir!“, hörte sie eine männliche Stimme. Der Klang kam ihr sehr bekannt vor... Als hätte sie ihn schon mal gehört. In ihrem Kopf schwirrten Gedanken wie kleine, lästige Insekten an einem schwülen Sommertag. Die Pritsche, auf die man sie gelegt hatte, stank nach Moder und war unbequem. Sie spürte alle ihre Knochen und hatte das Bedürfnis, sich zu übergeben. Doreen fühlte sich wie in einem rasenden ICE.
„Na, na...“, sagte er mit spöttischem Unterton. „Ich merke, dass das Mittel langsam nachlässt. Wir wollen nicht riskieren, dass du dir wehtust!“ Im gleichen Augenblick stand er auf und holte eine angebrochene Packung Kabelbinder. Während sie erneut versuchte, ihre Gedanken zu fokussieren, verspürte sie einen Druck am Handgelenk.
„So!“, setzte er fort. „Ich binde deine Gelenke am Bett fest, damit du keine Dummheiten machst. Du hast von mir eine kleine Dosis eines Mittels bekommen, daher hast du geschlafen, Mutter. Ich wollte dich morgen bei uns haben!“ Der Mann beugte sich direkt über Doreen und schaute ihr in die Augen. Just in diesem Moment wusste sie, wer ihr Entführer war. „Ich werde sie finden, weißt du noch? Das habe ich dir damals versprochen! Und sie ist jetzt bei mir!“
„Was wollen Sie von mir?“ Ganz offensichtlich war dieser Mann übergeschnappt. „Lassen Sie mich gehen! Ich werde niemanden etwas sagen, versprochen!“ Langsam drang ihre miserable Lage zu ihr durch. „Wollen Sie mich vielleicht vergewaltigen? Was wollen Sie?“ Die Erinnerung kam mit einem Schlag wieder. „WO IST MEINE TOCHTER?“
„Reg dich nicht auf, Mutter!“ Bei diesem Satz spürte sie das erdrückende Gefühl in ihrer Brust. ‘Was hat dieser Mistkerl Cassy bloß angetan?’, dachte sie verzweifelt. Ein Emotionschaos aus ansteigender Wut und panischer Angst verhinderte, dass sie die aufkommende Beklemmung in der Brust verlangsamen konnte.
„Ich... brauche... meine Tasche... schnell!“, keuchte Doreen flehend. Glücklicherweise folgte er ihrem Wunsch. „Den Inhalator, bitte!“ Lautes Röcheln ließ sich aus ihrer Lunge vernehmen. Eine Salve aus trockenem Husten überkam sie. „Sprühen... Sie... es... jetzt... in den Mund!“ Das Atmen fiel ihr mittlerweile sehr schwer. Sie wollte die kostbare Luft nicht zum Sprechen vergeuden. Ree schloss die Augen. In diesem Moment spürte sie, wie die kalte, das Leben spendende Flüssigkeit ihre Atemwege befreite. Noch immer japsend schrie sie den Mann an: „Was hast du mit meiner Tochter gemacht?“
„Deine Tochter war doch gar nicht dabei. Sie ist zur Buchhandlung zurückgelaufen. Sie wollte ein Buch haben! Aber jetzt bist du bei uns. Deine Tochter, Zoey, braucht dich!“, log er. Auf gar keinen Fall wollte er, dass sie noch sauer auf ihn war.
Das Mittel, das er ihr verabreicht hatte, ließ ihr keine Erinnerungen an die Entführung, daher glaubte sie ihm. Doreen musste sich einfach an einer Sache festklammern, wenn sie diese Hölle wieder lebendig verlassen wollte.
„Ich habe eine Überraschung für dich, Mutter!“ Diesmal klang die Stimme des Mannes sanfter. „Deine Tochter ist hier!“
„Wer ist hier?“, fragte Doreen verwirrt und betete, dass er nicht Cassy damit meinte. Er lief zu einer Tür und öffnete sie.
Zuerst passierte nichts. Nach einer Weile aber kam eine kleine Person aus dem Raum. Die
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