Puppenbraut
durchzuschauen.
KAPITEL 17
In dem kleinen Besprechungsraum des FBI, im Herzen von New York City, roch es nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Der Abend hatte noch nicht richtig begonnen, und trotzdem war klar, dass diese Nacht durchgearbeitet wurde. Diesmal wurde das gesamte Team angesetzt. Man hoffte endlich auf einen Durchbruch im Fall des „Dolly-Lovers“.
Scott Goodwin, der Leiter des Teams, das aus den besten Profilern bestand, die das FBI zu bieten hatte, schaute ostentativ auf seine Uhr am Handgelenk. Es war kurz vor sechs Uhr am Sonntagabend. Es war die Zeit für einen Scotch, klassische Musik und die Ledercouch seines Single-Appartements in Manhattan. In seiner Fantasie malte er sich aus, wie er genau jetzt das Getränk langsam in den Mund ziehen, schlürfen und spülen würde, bis es ein rundes Geschmackserlebnis ergab. Das Aroma des Feierabends!
‘Vielleicht nächstes Wochenende’, dachte er wehmütig, obwohl er eigentlich wusste, dass er es seinem pubertierenden Sohn zu widmen versprochen hatte. Seine Ex-Frau wollte mal wieder ein freies, sorgenfreies Wochenende feiern.
In der Besprechungsrunde fehlte noch Dr. Bryan Goseburn, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Individualpsychologie. Als Einziger in der gesamten Runde besaß dieser Mann so etwas wie eine gut funktionierende Beziehung, zur Pflege derer er mit seiner Ehefrau für gewöhnlich sonntags in feinen Lokalen speiste. Ihn zu dieser Zeit zu erreichen, war eine hohe Anforderung an Josh McMelma, dem besten IT-Spezialisten des Teams, die er jederzeit spielend zu erfüllen wusste.
Wie er es schaffte, konnte Scott Goodwin beim besten Willen nicht sagen. Zumal Bryan das Handy stets ausmachte, um in seiner Freizeit nicht durch die Arbeit gestört zu werden. Was ihm leider nichts nützte, da Restaurants über eigene Telefonleitungen verfügten. In dem blutjungen Körper von Josh McMelma lauerte eben langjährige Erfahrung eines Profis auf seinem Gebiet.
Die mit Abstand attraktivste Dame dieser Runde war Angel Davis. Die hübsche Blondine Mitte dreißig, die eine ganz steile Karriereleiter gewählt hatte, war Scotts rechte Hand. Mit ihr arbeitete er am liebsten, nicht zuletzt wegen ihres sehr ansprechenden Äußeren. Angel verstand es hervorragend, Männer so zu manipulieren, dass sie aus jedem von ihnen ein Geständnis herausbekam. Ein attraktiver, jüngerer Engel mit einem scharfen Verstand.
Doch die eigentliche Seele des Teams bildete Dr. Michelle Bellamy. Diese unscheinbare, ältere Dame kam ursprünglich aus der forensischen Toxikologie. Ihre Fähigkeit zur kognitiven Denkweise und ihr weitreichendes Fachwissen brachten sie in dieses Spezialistenteam, dessen Ruhepol genau sie bildete.
Ihre Stimme übernahm die Oberhand, wenn die Ereignisse turbulenter wurden und sich eine gewisse Nervosität breitmachte. Scott dachte mit Angst daran, dass Michelle irgendwann ihren wohlverdienten Ruhestand würde beantragen müssen.
Genau fünf Minuten nach sechs erschien endlich das letzte Mitglied des Teams, Dr. Bryan Goseburn. Mit einer abgebrochenen Entschuldigung nahm er seinen gewohnten Platz in der Runde ein.
Einem Außenstehenden wäre es sicherlich gewöhnungsbedürftig erschienen, dass ein wesentlich älterer Kollege mit Doktortitel nicht die Leitung dieser Einheit übernahm. Bryan und Scott kannten sich persönlich schon seit Jahren. Dr. Goseburn hatte zu seiner Zeit auf den gut bezahlten Posten zugunsten seines Freundes verzichtet.
Der Preis der höheren Stufe auf der Karriereleiter war für Scott immens. Er musste damit seine bis dahin funktionierende Ehe aufgeben. Was ihm jetzt noch familientechnisch blieb, waren die seltenen Wochenenden, die er mit seinem Sohn verbrachte.
Die Runde war mit Bryans Ankommen vollständig. Der harte Arbeitstag konnte endlich beginnen. Scott erhob sich, um die Tür des Büros zu schließen, während sich Angel auf die Wiedergabe der Fakten mittels eines Beamers vorbereitete.
„Wir haben bereits zwei weibliche Opfer, alles Kinder. Ein drittes wird derzeit vermisst“, fing Angel trocken an. Bilder von den toten Mädchen huschten über die Projektionsfläche. Die hartgesottenen Ermittler waren auf alle Formen von Tod vorbereitet. Nur nicht auf den von Kindern. Niemals.
Konzentriert folgten sie der graziösen Bewegung ihrer Kollegin, um die Augen von den brutalen Aufnahmen abzuwenden. Angel fuhr fort:
„Im ersten Fall handelt es sich um Laureen Milner, neun Jahre alt. Sie wohnte mit ihrer zu diesem
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