Puppenbraut
ist es Raffaella Bertani, die Ehepartnerin der entführten Journalistin. Entweder läuft der Täter gerade Amok, oder er baut sich ein familiäres Publikum auf! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die kleine Tochter noch zu Hause gewesen wäre. Wir haben die Überwachung in der Klinik, wo das Kind noch untersucht wird, verstärkt. Auf unsere Bitte hin wird sie vorerst nicht entlassen.“ Dann sagte er mehr zu sich selbst als zu seinen Kollegen: „Und wir haben nichts in der Hand! Gar nichts!“
Diese Worte, die schwer in der Luft hingen, erzeugten umgehend eine paralysierende, erbarmungslose Stille, die keiner zu durchbrechen wagte. Sie hatten tatsächlich nichts außer drei Entführungsopfern! Und die Zeit wurde knapp. Verdammt knapp sogar.
„Ich sehe das so…“, Angel traute sich nach einer kurzen Weile als Erste, einen Schimmer der Hoffnung zu erwecken. Noch hatten sie ‘nur’ drei Entführungen, keine Leichen. Die Zeit war knapp, doch sie mussten sich an jeden Strohalm klammern, den sie bekommen konnten. Mochte sein, dass sie wenig hatten, doch sie hatten mehr als Nichts. „Der Medikamentendiebstahl war in der Nähe vom Boerum Park. Das wäre wirklich erstaunlich, wenn es nicht mit unserem Täter zu tun hätte. Vielleicht ist das diesmal sein großer Fehler.“
Scott ließ sich von der aufkeimenden Zuversicht anstecken. „Wir fahren mit Angel ins Krankenhaus und lassen uns berichten, was genau entwendet wurde. Unter Umständen brauchen wir Josh im Büro zum Abgleich der Daten. Der leitende Pharmazeut wird uns sicher etwas über den Schwund sagen können, doch es wäre schön, Michelle, wenn wir ebenfalls auf dein Wissen in der Zentrale zurückgreifen könnten!“
Dann wandte er sich an seinen alten Freund: „Bryan, kannst du dich nochmal im Park umsehen? Vielleicht haben wir doch noch etwas übersehen...“
Plötzlich herrschte Betriebsamkeit in dem Team, in dem nie offen über Freundschaft gesprochen wurde, und doch jeder für jeden im gleichen Maße einstand, als wären sie eine Familie.
*****
„Eine Überraschung, meine Damen! Gleich werde ich sie euch präsentieren, nur Geduld! Ich hoffe, ihr freut euch schon darauf!“, hörte Doreen Bertani ihren Peiniger schnaufend rufen, als würde er etwas Schweres bewegen. Sie zuckte zusammen. Die Ereignisse der vergangenen Stunden überrannten sie, sodass sie drohte, darunter zu ersticken.
‘Doch nicht jetzt!’, befahl sie ihrem Körper, zu gehorchen und die aufsteigende Beklemmung zu unterdrücken. Sie musste jetzt jederzeit kampfbereit sein!
Soweit es ging, hob Doreen vorsichtig ihren Kopf. Ihre Handgelenke taten ihr sehr weh, weil sich das Plastik im Schlaf in die Haut hineingefressen hatte. Eng an ihren Rücken angelehnt lag Zoey und schlief. Mit den angewinkelten Beinen sah sie eher einem Embryo gleich als einer Frau, die dieser kranke Irre in ihr finden wollte.
Als es zu Doreen endlich durchgedrungen war, dass das Mädchen sie in der Nacht offenbar mit einer stinkenden Auflage zugedeckt hatte, kamen ihr Tränen der Rührung. Einen wunderbar erholsamen Schlaf wollte sie diesem verletzlichen Kind gönnen, doch sie wusste, dass sie es noch nicht durfte. So sanft, wie es nur ging, wisperte sie Zoeys Namen.
Die Kleine bewegte sich ein wenig. „Schatz! Zoey! Wach auf!“, flüsterte sie diesmal halblaut. Wie gern würde sie jetzt die Kleine zum Aufstehen sanft streicheln, wie sie es jeden Morgen bei ihrer Tochter tat. Doch ihre am Bett angebundenen Handgelenke schmerzten bereits bei der kleinsten Bewegung.
Das Mädchen streckte sich. Augenblicklich saß sie angsterfüllt auf dem Bett. Ihr gemeinsamer Entführer hatte sie offenbar schon erfolgreich zum Gehorsam trainiert. Als sie realisierte, dass keine Gefahr bestand, rieb sie sich kurz die Augen.
„Hör mal zu, Zoey! Wir werden es schaffen, hier wegzukommen! Ich verspreche es dir! Meine beste Freundin, Raffaella, sucht mit deinen Eltern bereits nach uns und wird nicht aufhören, bis sie uns beide gefunden hat!“ Sie verschwieg dem ohnehin schon verängstigten Kind, dass seine Mutter nach einem Nervenzusammenbruch in der Klinik lag. Sie mussten sich dringend motivieren, sonst waren sie beide verloren. Der imaginäre Duft von Ells Bettwäsche stieg aus der Erinnerung in ihre Nase. Es wirkte so betörend, dass sie neuen Mut fasste.
„Zoey, wenn er kommt, versuche ich ihn abzulenken. Du musst hier weglaufen und Hilfe holen! Egal, was er macht, du rennst, verstanden? Ohne
Weitere Kostenlose Bücher