Puppenbraut
seinen Gedanken ging Coleman den Tag durch, während er unterbewusst nach Bewegung im Haus suchte. Es war eine Seltenheit, dass ausgerechnet einer der Chefs der oberen Etage den langweiligsten Teil der Polizeiarbeit erledigte, doch in diesem Fall kam die Order vom FBI. Das konnte er keinen unerfahrenen Kollegen allein machen lassen.
Als das Licht im Haus sich nicht veränderte, fühlte er sich verunsichert. Er beschloss, sich bei der Frau nach dem Rechten zu erkundigen, noch ehe sein Partner am Auto war. Entschlossenen Schrittes bewegte er sich zur Tür seines Schützlings und klingelte.
Weil niemand antwortete, versuchte er es erneut. Wieder nichts. Andrew horchte, doch aus dem Inneren des Hauses drang nicht das leiseste Geräusch, was die fehlende Reaktion erklärte.
Unterbewusst legte er seine Hand auf das Holster, wo seine Waffe steckte. Sein Kollege brauchte heute extrem lange. So lange konnte Coleman nicht mehr warten! Ganz leise schlich er um das Haus. Erst als er auf der Terrasse stand, fielen ihm die eingedrückten Spuren in der Erde auf. Die Terrassentür war aufgebrochen und klaffte einladend nach außen.
Andrew Coleman griff nach seiner Waffe, entsicherte sie und ging leise ins Haus. „Ma’am?“, rief er halblaut, doch seinen Worten antwortete nur die Stille eines hell erleuchteten Hauses. Seine Stimme verpuffte in der Luft.
Nachdem er das gesamte Haus gesichert hatte, griff er zu seinem Funkgerät, um eine schaurige Wahrheit durchzugeben. Bald würde es hier vor Forensikern nur so wimmeln. Hoffentlich war dann sein Partner auch wieder da. Alleingang während der Streife war ein nicht zu verzeihender Fehler, besonders in seiner Einheit.
KAPITEL 18
Montag. Puppenhochzeit.
„Wir haben vielleicht einen Treffer!“, brüllte Josh McMelma plötzlich ganz laut durch das Büro. Die Emotionen gingen mit ihm durch. Der fehlende Schlaf tat sein Übriges. Das gesamte FBI-Team war bereits seit sieben Uhr auf der Suche nach verwertbaren Hinweisen, um einen weiteren Mord zu verhindern. Das Koffein hielt sie alle bei der Stange.
Noch ehe einer aus dem Team reagieren konnte, rannte Josh zu Scotts feinem Einzelbüro, dem besten Vorzeigeraum der FBI-Zentrale. Der Raum war erstklassig gestaltet worden. Ein edler Tisch in Vollholz aus feinstem Mahagoni mit acht hochwertigen Stühlen, an dem die meisten Privatbesprechungen stattfanden, und ein passender Sekretär verliehen der sonst nüchtern wirkenden Inneneinrichtung einen auserlesenen Charakter.
Scotts Schreibtisch war derart vorbildlich aufgeräumt, dass lediglich ein kleiner Rahmen mit dem Bild seines Sohnes neben einem vor Jahren gebastelten Aschenbecher an das Privatleben des Bürobesitzers erinnerte.
Den Aufschrei seines IT-Fachspezialisten an seinem Arbeitsplatz konnte Scott vorhin nicht wahrnehmen, da die dicken Wände nicht besonders geräuschempfindlich waren. Daher sah er stumpf vom Computer auf und versuchte die eben gesagte Worte zu begreifen.
Die Tür öffnete sich mit einem kraftvollen Ruck. Selten passierte es, dass einer seiner Leute den Raum zum Chef betrat, ohne vorher anzuklopfen. Nacheinander sah er das gesamte Team an, da McMelmas unkontrollierter Ausbruch alle neugierig machte.
Josh galt eher als ein zurückhaltender Mensch, dem man nur wenige Gefühle zubilligte. Noch bevor Scott den Mund aufmachen konnte, sprudelten erneut die Worte aus McMelma wie das Wasser aus einem Wasserfall im Frühling. Diesmal als Zusammenfassung für das Team.
„Ich habe gerade eine Meldung aus dem Brooklyn Hospital erhalten. Der leitende Pharmazeut vermisst einige Medikamente. Allesamt Betäubungsmittel! Eigentlich geht es schon seit einiger Zeit so, doch heute früh, vor einer Operation, ist ihm aufgefallen, dass ein bestimmtes Mittel in einer so hohen Dosis verschwunden ist, dass er diesmal das NYPD informieren musste. Der zuständige Police Officer hat auch direkt bei mir angerufen, da wir gestern das Profil durchgegeben haben. Wenn das nichts ist, dann weiß ich nicht!“ Als er die Miene seines Chefs sah, zügelte er sein Temperament. „Ist etwas passiert?“
Scotts blaue Augen nahmen eine metallische Farbe an, die ihm einen Hauch von eisiger Kälte und Entschlossenheit verlieh. Zwischen seinen Augen bildete sich eine Falte der Besorgnis, während er seinem Team, das gerade wie gebannt an der Tür stand, den weiteren Stand der Dinge mitteilte.
„Gerade habe ich einen Anruf bekommen. Wir haben ein weiteres Entführungsopfer. Diesmal
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