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Puppengrab

Puppengrab

Titel: Puppengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Brady
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gehalten: Baumwollvorhänge, frisch gestrichene Holzzäune auf der Veranda, beschnittene Büsche links und rechts der Gartenpfade. Und Blumen. Mutter hatte Blumen gemocht und ihnen den ganzen Tag etwas vorgesungen.
    Was für eine idyllische, friedliche Kulisse. Das Undenkbare konnte hier nicht geschehen.
    Doch es war geschehen. Jeden Tag.
    Vorsicht, Mommy. Du tust ihr weh.
    Ich tue ihr nicht weh, sie kann nichts fühlen. Das liegt ihr im Blut. Sie hat böses Blut. La-di-da. I, said the Fish

    »Komm schon, Chev«, sagte Jenny plötzlich. »Lass uns abhauen. Du hast versprochen, mit mir zum Fluss zu gehen. Und von diesem Haus kriege ich eine Gänsehaut.«
    Ja. Gänsehaut.
    Er schob seine Sporttasche beiseite und trug Jenny am Haus vorbei in den Wald. Merkwürdig, der Fluss war ihm nicht so weit weg erschienen, als sie noch Kinder gewesen waren. Wahrscheinlich, weil er sich immer gewünscht hatte, weiter gehen zu können. Chevy hasste dieses Grundstück. Mutters Testament hatte Chevy das Einzige vermacht, was zählte. Also hatte er das Grundstück, das Haus und alles weitere an den erstbesten Bieter verkauft. Billig.
    Und das war Mo Hammond gewesen, ein Nachbar. Mo besaß ein Jagdrevier und einen Schießstand. Er hatte das Areal der Bankes’ mit dem Nachbargelände zusammengelegt, das ihm bereits gehörte. Dann hatte er Rotwild, Fasane und sogar wilde Truthähne darin ausgesetzt. Hasen hatte er nicht auswildern müssen. Die vermehrten sich von selbst, und Mo verkaufte ihre Pfoten in seinem Laden. Griffige, samtweiche Stümpfe mit scharfen Krallen, die von Metallringen herabhingen.
    Krank.
    Der Schießstand befand sich am anderen Ende des Geländes. Es gab auch noch einen Laden, in dem man Waffen ausleihen oder kaufen konnte, ein Feld zum Zielschießen und Anlagen zum Tontaubenschießen. Der Rest des Geländes war natürlicher Jagdgrund. Es hatte Chevy immer erstaunt, dass Jäger fünfunddreißig Dollar die Stunde dafür zahlten, sich in einen Hochsitz zu hocken und darauf zu warten, dass ein halbzahmes Tier vorbeikam, dem sie aus zwanzig Schritt Entfernung in den Nacken schossen, um ihm dabei zuzusehen, wie es zuckend in einen ungestümen Todestanz verfiel. Was war daran bitte sportlich? Einmal hatte Chevy in der Hand eines Demonstranten, der gegen den Jagdgrund protestierte, ein Schild gelesen: WENN JAGD EIN SPORT IST , WESHALB WEISS DAS WILD DANN NICHT , DASS ES MITSPIELT ?
    Chevy fand das richtig. Seine Beute wusste immer Bescheid.
    Durch die winzigen Frühlingsknospen an den Bäumen kam Jennys Lieblingsplatz in Sichtweite – eine flache Stelle im Fluss, die durch einen Damm abgetrennt war. Biber hatten unwissentlich einen hübschen kleinen Pool erschaffen. Als er noch ein Kind gewesen war, hatte sich Chevy fast täglich hierhergeflüchtet und den Fluss von jenem dreieinhalb Meter hohen Hochsitz aus beobachtet, den Mo arroganterweise hier aufgestellt hatte, Jahre bevor ihm das Grundstück tatsächlich gehörte. Jetzt kletterte Chevy wieder die Stufen zum Hochsitz hinauf und zog Jenny mit sich. Er wischte die seit Jahren verrottenden Blätter und Kiefernnadeln beiseite. Ihr beißender Geruch brannte ihm in der Nase.
    »Da wären wir«, sagte er, als er es Jenny oben bequem machte. »Weißt du noch, wie wir als Kinder immer hierhergekommen sind?«
    »Weiß ich noch. Es ist so friedlich hier. Das hat mir gefehlt, als ich weg war.«
    Chevys Herz schmerzte ihm in der Brust. Weg. Jenny war so lange weg gewesen. Er erinnerte sich an den Tag, an dem sie verschwand, nur in einzelnen Bildern – wie bei einem Diafilm: Wie sie im Haus herumgerannt waren und verzweifelt nach dem Baby gesucht hatten … seine Mutter, die sich Clorox-Scheuermittel unter die Augen gehalten hatte, bis sie rot und verheult aussahen und bis sogar ihre Nase lief … Sheriff Goodwin, der ihre Aussage aufgenommen und Chevy befragt hatte, weil er es nicht ganz glauben konnte … Jeder in der Stadt – vom Sheriff über den Priester bis zum Schulbeirat –, der das Haus, den Schuppen, die Gärten durchsucht hatte … Grandpa, der so merkwürdig still gewesen war, und Mutter, die so überzeugend geheult hatte …
    Er öffnete die Augen und sah Jenny an. Rollte die Schultern, um die Anspannung zu lösen. Jetzt hatte er sie wieder. Das war alles, was zählte.
    »Hey«, sagte Chevy, »habe ich dir eigentlich jemals erzählt, dass ich hierherkam, nachdem du verschwunden warst, um auf dich zu warten? Ich saß hier oben und habe ihnen bei der Suche

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