Puppengrab
auf einer Warmhalteplatte aufgehoben worden. Frisch gebrühter Kaffee tröpfelte in eine Kanne. Koffeinfrei. »Ich brauche etwas Stärkeres«, beschwerte sich Beth.
»Erst nachdem du ein wenig Schlaf nachgeholt hast«, sagte Neil. »Vorher nicht.«
Tyrann.
Lieber Gott, es fühlte sich trotzdem gut an, jemanden zu haben, der sich um einen kümmerte.
Als sie ihre Mahlzeit beendet hatte, tauchte Neil am Tisch auf und hielt ihr sein Handy entgegen. »Willst du mit Abby sprechen?«
»O ja.«
»Die Nummer steht schon auf dem Display, du musst nur noch die ›Sprechen‹-Taste drücken.«
Er verließ die Küche, und nach dem dritten Klingeln ging Cheryl dran. Abby wartete auf ihr Frühstück und spielte mit Jeff und der Dreijährigen. Beth hörte Heinz im Hintergrund vergnügt bellen. Das kurze Gespräch von ein paar Minuten hob ihre Stimmung, ein Energieschub, der sie nach der Nacht voller Grübeleien, die ihr wie ein Traum vorkam, wieder erdete. Sie kam sich zwar immer noch verloren vor wie auf hoher See, doch Abbys Stimme war wie ein Leuchtturm, Neil Sheridan wie ihr Rettungsboot.
Beth schob die trüben Gedanken beiseite und ließ das Handy zuschnappen. Sie atmete tief durch. Es war Zeit, offen zu sagen, was sie getan hatte.
So offen, wie sie es eben wagte.
[home]
20
I ch war mit der Kuratorin des Westin-Cooper-Museums verabredet«, erklärte Beth ihren aufmerksam lauschenden Zuhörern. Sie saß mit unterschlagenen Beinen in einem Sessel. »Eine prominente Familie hatte eine Antiquitätensammlung dem Museum zum Kauf angeboten, und Anne Chaney, die Kuratorin, hatte mir die Stücke zeigen wollen.«
»Also waren Sie damals schon bei Foster’s angestellt?«, fragte Sacowicz.
»Auf Teilzeitbasis. Als ich ins Büro kam, lag da eine Nachricht von Anne Chaney, die darum bat, dass wir unser Treffen verschieben. Ich erinnere mich, dass ich froh darüber war, denn dadurch konnte ich mich mit Adam und einem Bezirksstaatsanwalt aus Chicago, der gerade zu Besuch war, zum Abendessen treffen. Adam wollte in der Kanzlei seines Großvaters in Chicago anfangen, aber er hatte auch politische Ambitionen, daher war dieses Treffen mit dem Staatsanwalt sehr wichtig für ihn. Doch dann rief Anne an und sagte, dass sie es doch schaffen würde. Ich schuldete ihr einen Gefallen, und so bat ich Adam, allein zu der Verabredung zu gehen, ich würde zum Nachtisch zu ihnen stoßen.
»Deine Kollegen bei Foster’s hatten also keine Ahnung, dass du dich in jener Nacht doch noch mit Anne Chaney treffen würdest«, stellte Neil fest. »Sie glaubten, die Verabredung sei verschoben worden.«
»Ja.« Beth holte tief Luft. »Anne war damals gerade in eine geschlossene Wohnanlage gezogen, die an einen Wald und einen See grenzte. Ich rief sie von meinem Wagen aus an und wartete, bis ich sie herauskommen sah. Sie hatte ein paar leere Kartons in den Händen und ging um die Ecke zu den Mülltonnen. Bankes musste dort schon gelauert haben. Als sie nicht zurückkam, bin ich ihr gefolgt und sah die beiden. Sie sprachen miteinander. Stritten sich.«
»Weswegen?«
»Das weiß ich nicht. Aber Anne wich vor ihm zurück und entriss ihm ihren Arm. Da schlug Bankes zu.«
Sie verstummte und schloss die Augen, als könnte sie den Film in ihrem Inneren zurückspulen und das Ende verändern.
»Ich habe ihnen etwas zugerufen.«
Das war dumm, sehr dumm.
»Bankes wandte sich um. Er presste seinen Arm an Annes Kehle, und in der anderen Hand hielt er eine Pistole. Er sagte, wenn ich nur einen Schritt näher träte, würde er uns beide erschießen. Ich … ich blieb wie angewurzelt stehen. Er schob Anne neben mich und befahl uns, uns in Bewegung zu setzen.«
»Wohin?«
»In den Wald hinein, der hinter den Häusern begann. Er war direkt hinter uns und hielt die Pistole auf uns gerichtet.« Die Panik begann, sich in ihrer Brust auszubreiten.
Eine alte Geschichte, erzähl weiter.
»Ich habe immer nur gedacht, dass wir uns wehren sollten, aber Anne war völlig außer sich. Auf sie hätte ich nicht zählen können.«
»Was hat Sie zu dieser Vermutung gebracht?«, fragte Dr. Standlin.
»Sie hatte Bankes erkannt. Keine Ahnung, aber wahrscheinlich hatte er sie verfolgt oder so.«
»Hat Chaney Ihnen das so erzählt?«, wollte der Lieutenant wissen.
»Nein, aber Bankes hatte mehrmals wiederholt: ›Ich habe dir doch gesagt, du kommst mir nicht davon‹ und ›jetzt ist es endlich so weit‹, so etwas in der Art. Er hat unentwegt auf Anne eingeredet, während wir
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