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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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blöde Schnauze.«
    »Wer kann mir das schon vorschreiben«, sagte der Druk-ker.
    Wilt versuchte, seine Wut im Zaum zu halten, und fand es ausnahmsweise mal unmöglich. Die Drucker III hatten was unglaublich Arrogantes.
    »Ich!« brüllte er.
    »Ach nee, und wer sonst noch? Sie würden's nicht mal schaffen, daß 'ne Maus die Klappe hält, und wenn Sie's den ganzen Tag probieren.«
    Wilt stand auf. »Du verfluchter kleiner Scheißkerl«, schrie er, »du dreckige Rotznase . . .«
    »Ich muß schon sagen, Henry, ich hätte mehr Beherrschung von Ihnen erwartet«, sagte der Leiter der Allgemeinbildung, als Wilts Nase eine Stunde später nicht mehr blutete und die Schulschwester ihm ein Pflaster auf die Augenbraue geklebt hatte.
    »Naja, es war nicht meine Klasse, und sie haben mich damit auf die Palme gebracht, daß sie sich über Pinkertons Selbstmord lustig machten. Wenn Williams nicht wegen Krankheit gefehlt hätte, war's nicht passiert«, erklärte Wilt. »Er ist immer krank, wenn er Drucker III zu übernehmen hat.«
    Mr. Morris schüttelte enttäuscht den Kopf. »Mir ist egal, welche Klasse es war. Aber Sie können einfach nicht herumlaufen und über Schüler herfallen . . .«
    »Über Schüler herfallen? Nicht mal berührt habe ich ... » »Schon gut, aber Sie haben beleidigende Worte gebraucht. Bob Fenwick war in der Klasse nebenan und hat gehört, wie Sie diesen Allison einen verfluchten kleinen Scheißkerl und einen boshaften Trottel nannten. Ist es dann ein Wunder, wenn er Ihnen eine knallt?«
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Wilt. »Ich hätte nicht wütend werden dürfen. Tut mir leid.«
    »Wenn das so ist, vergessen wir doch einfach das Vorgefallene«, sagte Mr. Morris. »Aber denken Sie daran, wenn ich Ihnen eine Hauptlehrerstelle verschaffen soll, kann ich nicht dulden, daß Sie sich einen Klecks in Ihr Schreibheft machen, indem Sie sich mit Schülern prügeln.«
    »Ich habe mich nicht geprügelt«, sagte Wilt, »er hat mich verprügelt.«
    »Na, wollen wir nur hoffen, daß er nicht zur Polizei geht und Sie wegen tätlicher Beleidigung anzeigt. Das wäre das Allerletzte an Reklame, was uns noch fehlte.«
    »Nehmen Sie mir einfach Drucker III ab«, sagte Wilt. »Ich hab diese Ungeheuer satt.«
    Er ging den Korridor hinunter und holte sich Mantel und Aktentasche aus dem Lehrerzimmer. Seine Nase fühlte sich zweimal so groß wie normal an, und seine Augenbraue tat ekelhaft weh. Auf dem Weg hinaus zum Parkplatz kam er an mehreren Kollegen vorbei, aber keiner blieb stehen und fragte ihn, was geschehen sei. Unbeachtet verließ Henry Wilt das Schulgebäude und stieg in sein Auto. Er schloß die Tür und saß mehrere Minuten lang da und sah den Dampframmen bei der Arbeit an dem neuen Block zu. Hoch, runter, hoch, runter. Nägel in einen Sarg. Und eines Tages, eines unentrinnbaren Tages läge auch er in seinem Sarg, immer noch unbeachtet, immer noch Hilfslehrer (zweiter Klasse) und von allen total vergessen, bis auf irgendso einen Rüpel aus Drucker III, der sich sein Leben lang an den Tag erinnern würde, wo er einem Lehrer eins auf die Nase gab und nicht bestraft wurde. Wahrscheinlich würde er noch vor seinen Enkeln damit prahlen.
    Wilt ließ den Wagen an und fuhr auf die Hauptstraße hinaus, voller Ekel vor den Druckern III, der Schule, dem Leben im allgemeinen und sich selber im besonderen. Jetzt verstand er, wieso Terroristen bereit sein konnten, sich zum Besten irgendeiner Sache zu opfern. Hätte er eine Bombe und einen Grund gehabt, er hätte sich und alle unschuldigen Leute drumherum mit Freuden ins Jenseits gesprengt, bloß um für einen herrlichen, wenn auch kurzen Augenblick zu beweisen, daß er von wirklicher Bedeutung sei. Aber er hatte weder Bombe noch Grund. Er fuhr stattdessen eilends heim und parkte vor der Parkview Avenue Nr. 34. Dann schloß er die Haustür auf und ging hinein.
    In der Diele roch es merkwürdig. Irgendein Parfüm. Schwer und süß. Er stellte seine Aktentasche ab und sah ins Wohnzimmer. Eva war anscheinend nicht zu Hause. Er ging in die Küche, stellte den Teekessel auf und befühlte seine Nase. Er mußte sie sich im Badezimmerspiegel mal genau ansehen. Er war die Treppe halb hinauf, wo er wahrnahm, daß das Parfüm entschieden was Giftgasartiges an sich hatte, als ihn etwas zum Stehenbleiben zwang. Eva Wilt stand in der Schlafzimmertür und hatte einen verblüffend gelben Schlafanzug mit enorm gebauschten Hosen an. Sie sah wirklich fürchterlich aus, und um alles noch schlimmer

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