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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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wünschte aus tiefster Seele, es tat's nicht. Dr. Mayfields Referat über »Das Zerebralvolumen und der nichtakademische Syllabus« interessierte ihn absolut nicht, und außerdem wurde es in derart verknoteten Sätzen und mit so monotonem Nachdruck vorgetragen, daß Wilt Mühe hatte wachzubleiben. Er starrte zum Fenster hinaus auf die Maschinen, die auf der Baustelle des neuen Verwaltungsblocks drauflos bohrten. Die Arbeit, die da unten vonstatten ging, war von einer Wirklichkeit, die sich von den unnützen Theorien, die Dr. Mayfield entwickelte, auffallend unterschied. Wenn der Mann wirklich meinte, er könne ein Zerebralvolumen, was das auch immer war, den Gasinstallateuren III eintrichtern, dann war er nicht ganz bei Trost. Was aber noch schlimmer war, dies verdammte Referat würde in der Aussprache bestimmt eine Debatte auslösen. Wilt sah sich im Raum um. Die verschiedenen Parteiungen waren allesamt anwesend, die Neue Linke, die Linke, die Alte Linke, die Unparteiische Mitte, die Kulturelle Rechte und die Reaktionäre Rechte. Will rechnete sich den Unparteiischen zu. Früher hatte er politisch zur Linken und kulturell zur Rechten gehört. Mit anderen Worten, er war gegen die Atombome gewesen, hatte die Abtreibung und die Abschaffung des Privatunterrichts befürwortet, und die Todesstrafe abgelehnt, womit er sich sowas wie den Ruf eines Radikalen eingehandelt hatte, während er gleichzeitig für die Rückkehr zum einfachen Handwerk der Stellmacher, Schmiede und Handweber eingetreten war, was viel dazu beigetragen hatte, die Bemühungen der Kollegen von der Gewerbekunde zu untergraben, ihren Schülern Verständnis für die Segnungen der modernen Technik einzuimpfen. Die Zeit und die unerbittliche Ruppigkeit der Maurer, Gipser und Drucker hatte das alles geändert. Wilts Ideale hatten sich verflüchtigt und der Überzeugung Platz gemacht, derjenige, der meinte, die Feder sei mächtiger als das Schwert, solle mal versuchen, KFZ III »Die Seidenharfe« vorzulesen, bevor er sein Maul aufmachte. Nach Wilts Meinung sprach viel fürs Schwert.
    Dr. Mayfield leierte weiter sein Zeug runter, es folgte die Aussprache mit ihren ideologischen Reibereien, aber Wilt hatte nur das Bohrloch auf der Baustelle im Auge. Es wäre ein idealer Aufbewahrungsort für eine Leiche, und zu wissen, daß Eva, die zu Lebzeiten so unerträglich war, im Tode die Last eines mehrstöckigen Betongebäudes trüge, hätte was enorm Befriedigendes. Zudem machte das ihre Entdeckung extrem unwahrscheinlich und ihre Identifizierung vollkommen unmöglich. Nicht mal Eva, die sich einer starken Konstitution und eines noch stärkeren Willens rühmte, könnte am Fuß eines Pfeilerschachtes ihre Identität aufrechterhalten. Die Schwierigkeit wäre, sie erst mal in das Loch runterzukriegen. Schlaftabletten schienen die vernünftigste Vorbehandlung, aber Eva hatte einen gesunden Schlaf und hielt von keinen Pillen auch nur das geringste. »Wieso bloß nicht«, dachte Wilt voll Grimm, »sie glaubt doch sonst bereitwillig an jeden Käse.«
    Seine Träumerei wurde von Mr. Morris unterbrochen, der die Sitzung zum Ende brachte. »Bevor Sie alle gehen«, sagte er, »möchte ich noch ein Thema zur Sprache bringen. Wir sind vom Leiter der Abteilung Maschinenbau gebeten worden, vor dem Sonderkurs der Feuerwehrlehrlinge eine Reihe von einstündigen Vorträgen zu halten. Dies Jahr lautet das Thema »Probleme unserer Gesellschaft A Ich habe eine Liste der Themen und der Lehrer zusammengestellt, die sie halten sollen.«
    Mr. Morris teilte die Themen aus, wie sie kamen. Oberlehrer Millfield bekam »Medien, Verkehrswesen und demokratische Mitarbeit, worüber er nichts wußte und sich noch weniger Sorgen machte. Peter Braintree erhielt »Der neue Brutalismus in der Architektur, seine Ursprünge und gesellschaftlichen Merkmales und Wilt machte den Schluß mit »Die Gewalt als Faktor der Zerstörung des Familienlebens«. Alles in allem, dachte er, hätte er ziemlich gut abgeschnitten. Das Thema paßte in seine augenblicklichen Gedankengänge. Mr. Morris war offenbar derselben Meinung.
    »Ich dachte, Sie würden's nach der kleinen Geschichte mit den Druckern III gestern gern mal damit versuchen«, sagte er, als sie hinausgingen. Wilt lächelte schwach und machte sich zu den Klempnern und Drehern II auf den Weg. Er gab ihnen »Shane« zu lesen und verbrachte die Stunde damit, sich Notizen für seinen Vortrag zu machen. In der Ferne hörte er die Bohrer weitermalmen. Wilt stellte sich

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