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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Jahre war Wilt der Unkultur ausgesetzt, der stets bedenkenlosen Bereitwilligkeit von Gipser II und Fleisch I, gewalttätig zu sein. Das war der Keim von allem. Dies und die Wirklichkeitsfremdheit der Literatur, mit der er sich hatte plagen müssen. Zehn Jahre lang war Wilt das Medium gewesen, durch das Phantasiegestalten wanderten, Nostromo, Shane, Jack und Piggy, Gestalten, die handelten und deren Taten etwas in Bewegung setzten. Und die ganze Zeit sah er sich selbst in ihren Augen, ein erfolgloser, willenloser Mensch, der nur dem Zwang der Verhältnisse gehorchte. Wilt schüttelte den Kopf. Und aus dem allen und den Seelenschrammen der letzten zwei Tage war dieser ade gratuit entstanden, dieses Quasi-Verbre-chen, die symbolische Ermordung Eva Wilts.
    Er ließ den Wagen an und fuhr vom Parkplatz. Er würde Braintrees besuchen. Sie wären sicher noch wach und freuten sich über seinen Besuch, außerdem mußte er mit jemandem reden. Auf der Baustelle wirbelten unterdessen seine Notizen über »Die Gewalt als Faktor der Zerstörung des Familienle-bens« im Nachtwind rum und fielen in den Dreck.

- 7 -
    »Die Natur ist ja so säuisch«, sagte Sally und leuchtete mit einer Taschenlampe durch die Luke auf das Schilf. »Ich meine, nimm mal die Schilfkolben. Ich meine, die sind doch absolut archetypisch phallisch. Findest du nicht auch, G?«
    »Schilfkolben?« sagte Gaskell, der hilflos auf eine Karte starrte. »Schilfkolben sagen mir nichts.«
    »Landkarten auch nicht, wie man sieht.«
    »Seekarten, Baby, Seekarten.«
    »Was macht schon der kleine Unterschied?«
    »Im Augenblick verdammt viel. Wir sind entweder im Froschwasser oder in der Moorbreite. Ich kann nicht sagen, wo.«
    »Ach, laß es doch einfach die Moorbreite sein. Ich schwärme einfach für die Breiten. Eva-Herzchen, wie war's mit noch 'ner Kanne Kaffee? Ich bleib die ganze Nacht wach und seh mir an, wie's über den Schilfkolben dämmert.«
    »Ja? Na, ich nicht«, sagte Gaskell. »Die letzte Nacht hat mir gereicht. Dieser blöde Kerl mit der Puppe im Bad, und Schei schneidet sich auch noch. Das reicht für einen Tag. Ich kriech jetzt lieber unter die Decke.«
    »An Deck kriechst du«, sagte Sally, »du kriechst an Deck unter die Decke, G. Eva und ich schlafen hier unten. Bei dreien ist einer zu viel.«
    »Drei? Mit Busen-Baby wären wir mindestens fünf. Okay, ich schlafe an Deck. Wir müssen zeitig aufstehen, wenn wir von dieser verdammten Sandbank runterkommen wollen.«
    »Hat Kapitän Pringsheim uns auf Sand gesetzt, Baby?«
    »Das liegt an diesen Seekarten. Wenn sie doch bloß die Tiefen genau angäben.«
    »Wenn du wüßtest, wo wir sind, würdest du wahrscheinlich sehen, daß sie's tun. Aber es ist natürlich sinnlos zu wissen, es ist drei Meter tief ...» »Faden, Schätzchen, Faden.«
    »Drei Faden tief im Froschwasser, wenn wir in Wirklichkeit in der Moorbreite sind.«
    »Na egal, wo wir sind, du solltest mal lieber hoffen, daß es 'ne Flut gibt, die uns hochhebt und wegträgt.«
    »Und wenn's keine gibt?«
    »Dann müssen wir uns was anderes einfallen lassen. Vielleicht kommt jemand vorbei und schleppt uns ab.«
    »Mein Gott G, du bist doch ein Weltmeister«, sagte Sally. »Ich meine, warum konnten wir nicht einfach draußen in der Mitte bleiben? Aber nein, du mußtest ja diesen Dreckskahn auf 'ne Sandbank schippern, und das alles wegen was? Wegen Enten, gottverdammten Enten.«
    »Gänsen, Baby, Graugänsen. Nicht bloß Enten.«
    »Okay, dann eben wegen Graugänsen. Bloß weil du sie fotografieren willst, sitzen wir jetzt fest, wo niemand mit einem Boot hinfährt, der richtig im Kopf ist. Was meinst du, wer hier herkommen soll? Die Möwe Jonathan?«
    In der Kombüse kochte Eva Kaffee. Sie trug den knallroten Kunststoff-Bikini, den ihr Sally geliehen hatte. Er war eigentlich zu Wein für sie, so daß sie rundrum peinlich rausquoll, und er lag ordinär eng an, aber letztlich war es besser, als nackt rumzulaufen, auch wenn Sally sagte, Nacktheit hieße Freiheit, und guck dir die Indianer am Amazonas an. Sie hätte ihre eigenen Sachen mitnehmen sollen, aber Sally hatte furchtbar auf Eile gemacht, und nun war alles, was sie hatte, der zitronengelbe Hausanzug und der Bikini. Also ehrlich, Sally war so autora .. . autora-dingsbums ... na ja, eben herrisch.
    »Mehrzweck-Plastik, schurzmäßig, Baby«, hatte sie gesagt, »und G hat dieses Faible für Plastik, nicht wahr, G?«
    »Bio-abbaumäßig, ja.«
    »Bio-abbaumäßig?« fragte Eva in der Hoffnung, in

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