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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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auf zutreiben, aber Haken waren ganz was anderes. Ein Seil nehmen, an irgend etwas festbinden, runterklettern und die Puppe rauf holen? Bestimmt nicht. Es war schon fürchterlich genug, sich mit zwei Händen am Seil runterzulassen, aber der Gedanke, mit einer Hand wieder hochzuklettern und mit der anderen die Puppe zu halten, war reiner Wahnsinn. So landete er bloß selber unten im Loch, und wenn er sich über etwas klar war, dann war's das, daß er nicht vorhatte, am Montagmorgen unten in einem zehn Meter tiefen Loch entdeckt zu werden, im Arm eine Bumspuppe mit Möse aus Plastik, und in den Kleidern seiner Frau. So lang ging's in die Katastrophe. Wilt stellte sich die Szene im Direktorzimmer vor, wenn er zu erklären versuchte, wie er dazu kam, unten in ... Und überhaupt fanden sie ihn vielleicht gar nicht, oder hörten seine Schreie nicht. Diese verdammten Zementwagen machten ja einen Höllenlärm, und er riskierte doch verflucht nochmal nicht, unter Beton ... o Scheiße. Da hatte er die poetische Gerechtigkeit. Nein, das einzige war, diese verfluchte Bumspuppe irgendwie auf den Grund des Lochs zu kriegen und zum Himmel zu hoffen, daß keiner sie bemerkte, ehe der Beton drauf kam. Na ja, wenigstens würde er auf diese Weise rausbekommen, ob das ein vernünftiges Verfahren war, Eva loszuwerden. Wenigstens das war auf der Plusseite zu vermerken. Auch der trübste Tag hatte seine .. .
    Wilt ging los und sah sich nach was um, womit er Judy Parterre befördern könne. Er versuchte es mit einer Handvoll Kies, aber sie wackelte nur ein bißchen und blieb, wo sie war. Etwas Schwereres war nötig. Er ging rüber zu einem Sandhaufen, schippte etwas Sand in einen Plastiksack und schüttete ihn in das Loch, aber außer daß er Mrs. Wilts Perücke einen besonders makaber-realistischen Akzent verlieh, machte der Sand nichts. Wenn er einen Ziegelstein auf die Puppe würfe, vielleicht platzte sie dann. Wilt sah sich nach einem Ziegelstein um und mußte sich schließlich mit einem großen Lehmklumpen zufriedengeben. Der müßte reichen. Er ließ ihn ins Loch fallen. Es gab einen Bums, Gerassel von Kies und noch einen Bums. Wilt leuchtete runter. Judy war unten gelandet und hatte es sich in einer grotesken Stellung bequem gemacht. Ihre Beine waren vor ihrer Brust verknäult, während sie einen Arm wie hilfeflehend nach ihm ausstreckte. Wilt holte noch einen Klumpen Lehm und warf ihn hinunter. Diesmal rutschte die Perücke zur Seite, und der Kopf neigte sich auf ihrer Schulter. Wilt gab auf, er konnte nichts weiter tun. Er zog die Bretter wieder über das Loch und ging zum Zaun zurück.
    Hier kam er schon wieder in Verlegenheit. Das Fahrrad stand auf der anderen Seite. Er holte sich ein Brett, lehnte-es gegen den Zaun und kletterte hinüber. Jetzt das Rad wieder zum Fahrradständer zurücktragen. Ach, scheiß auf das Fahrrad. Es konnte bleiben, wo es war. Er hatte die Schnauze voll von der ganzen Angelegenheit. Er war nicht mal imstande, sich eine Plastikpuppe anständig vom Halse zu schaffen. Da war's einfach lächerlich anzunehmen, er könne mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg einen richtigen Mord planen und ausführen. Er mußte verrückt sein, daß er sich sowas einfallen ließ. Das war alles dieser verdammte Gin.
    vjaja, gib dem Gin nur die Schuld«, murmelte sich Wilt in den Bart, als er zum Wagen zurücklatschte. »Du hattest diese Idee schon seit Monaten.« Er stieg ins Auto, saß im Dunkeln da und fragte sich, was in drei Teufels Namen über ihn gekommen sei, daß er davon spinnen konnte, Eva umzubringen. Das war Schwachsinn, totaler Schwachsinn, genauso verrückt, wie sich vorzustellen, er könne sich dazu erziehen, ein kaltblütiger Mörder zu werden. Wo war diese Idee entstanden? Worum ging's hier eigentlich? Klar, Eva war eine dämliche Kuh, die ihm sein Leben zur Hölle machte, indem sie an ihm herummeckerte und ihrer Neigung zu fernöstlichem Seelenqualm mit einer hektischen Begeisterung frönte, die den besonnensten Ehemann aus der Fassung bringen mußte, aber warum dieser Knall mit dem Ermorden? Warum mußte er seine Männlichkeit durch Gewalt beweisen? Wo hatte er das her? Mitten auf dem Parkplatz wurde Henry Wilt, mit einem Schlage nüchtern und klar im Kopf, sich bewußt, wie seltsam sich die zehn Jahre Abteilung Allgemeinbildung bei ihm ausgewirkt hatten. Zehn lange Jahre waren die Gipser II und Fleisch I der Kultur in Gestalt von Wilt und dem »Herrn der Fliegen« ausgeliefert gewesen, und genauso viele

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