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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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lömerte im Schlafanzug im Haus herum, ging runter in die Gaststätte »Zum Fährweg« Mittag essen, machte am Nachmittag ein Nickerchen und saß den ganzen Abend vor der Glotze. Dann machte er das Bett, legte sich hin und verbrachte eine schlaflose Nacht damit, daß er darüber brütete, wo Eva sein könne, was sie wohl gerade mache, und warum er, der so viele Stunden ergebnislos darüber nachgegrübelt hatte, wie er sie sich durch Mord vom Halse schaffen könne, jetzt auch nur im geringsten besorgt sein sollte, wo sie freiwillig gegangen war.
    »Ich meine, wenn ich nicht wollte, daß das passiert, warum habe ich dann dauernd drüber nachgedacht, wie ich sie umbringen könnte«, dachte er um zwei. »Normale Menschen gehen nicht mit einem Neufundländer spazieren und hecken dabei Pläne aus, wie sie ihre Frau umbringen, wenn sie sich genauso gut auch scheiden lassen könnten.« Aber wahrscheinlich gab es irgendeinen verwickelten, psychologischen Grund dafür. Wilt konnte sich selber mehrere vorstellen, eigentlich fast zu viele, um entscheiden zu können, welcher der passendste war. Auf jeden Fall verlangte eine psychologische Erklärung einen Grad an Selbsterkenntnis, von der Wilt, der nicht mal sicher war, ob er überhaupt ein Selbst hatte, fühlte, daß sie ihm versagt war. Zehn Jahre mit den Gipsern II und dem »Ausgeliefertsein an die Unkultur« hatten ihm zumindest die Erkenntnis vermittelt, daß es eine Antwort auf jede Frage gab und es ziemlich egal war, welche Antwort man gab, solange man sie überzeugend gab. Im 14. Jahrhundert hätte man gesagt, der Teufel habe ihm solche Gedanken in den Kopf gesetzt, jetzt, in der Nach-Freudschen Zeit, mußte es ein Komplex oder, um wirklich zeitgemäß zu sein, ein chemisches Ungleichgewicht sein. In hundert Jahren würden sie mit irgendeiner völlig anderen Erklärung rausrücken. Mit dem tröstlichen Gedanken, daß die Wahrheiten des einen Zeitalters die Absurditäten eines anderen seien und daß es nicht viel ausmache, was man dächte, so lange man das Richtige täte, und seiner Meinung nach tat er das, schlief Wilt schließlich ein.
    Um sieben schreckte ihn der Wecker hoch, und um halb neun hatte er schon seinen Wagen auf dem Parkplatz hinter der Schule abgestellt. Er ging an der Baustelle lang, wo die Arbeiter bereits an der Arbeit waren. Dann fuhr er ins Lehrerzimmer rauf und sah aus dem Fenster. Das Bretterviereck lag noch an seinem Platz und verdeckte das Loch, aber die Bohrmaschine hatten sie schon zurückgesetzt. Offenbar waren sie damit fertig.
    Um fünf vor neun nahm er fünfundzwanzig Exemplare »Shane« aus dem Schrank und ging damit rüber zu KFZ III. »Shane« war ein ideales Schlafmittel. Es würde die Bestien ruhighalten, während er dasaß und beobachtete, was da unten vor sich ging. Der Raum 593 im Maschinenbauflügel gestattete ihm eine Aussicht wie von der Haupttribüne. Wilt machte die Eintragung ins Klassenbuch, verteilte die »Shane«-Exem-plare und sagte der Klasse, sie sollten damit weitermachen. Er sagte es sehr viel energischer, als es selbst für einen Montagmorgen üblich war, und die Klasse machte sich daran, über die traurige Lage der Siedler nachzulesen, während Wilt, von einem aktuelleren Drama in Anspruch genommen, aus dem Fenster starrte.
    Ein Lastwagen mit einer Mischtrommel mit flüssigem Beton war auf der Baustelle eingetroffen und fuhr jetzt langsam rückwärts auf das Bretterviereck zu. Er hielt an und es entstand eine quälende Pause, in der der Fahrer aus dem Führerhaus kletterte und sich eine Zigarette ansteckte. Ein anderer Mann, offenbar der Polier, kam aus einer Holzbaracke und marschierte rüber zu dem Lastwagen, und binnen kurzem hatte sich eine kleine Gruppe um das Loch zusammengefunden. Wilt erhob sich von seinem Pult und ging ans Fenster. Warum verdammt nochmal machten sie nicht ein bißchen Dampf? Endlich stieg der Fahrer wieder in sein Führerhaus, und zwei Männer schoben die Bretter weg. Der Polier gab dem Fahrer ein Zeichen. Die Schüttrinne für den Beton schwenkte in ihre Position. Ein weiteres Zeichen. Die Trommel begann sich zu neigen. Der Beton kam heraus. Wilt sah, wie er langsam die Schüttrinne hinunterkroch, und genau in dem Moment sah der Polier in das Loch runter. Ein Arbeiter tat das gleiche. Im nächsten Augenblick war der Teufel los. Der Polier gestikulierte und schrie wie wahnsinnig. Vom Fenster aus sah Wilt die offenen Münder und das Armegefuchtel, aber der Beton floß weiter. Wilt schloß die

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