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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Mr. Gosdykes Erfahrung mit Mördern war nicht sehr groß, aber er hatte den scharfen Verdacht, daß Männer, die offen zugaben, sie hätten mit dem Gedanken gespielt, ihre Frau umzubringen, schließlich beim Geständnis landeten, daß sie's wirklich getan hätten. Außerdem war sein Versuch, sich mit Wilt darauf zu einigen, er habe die Puppe als Jux gegen seine Kollegen in der Berufsschule in das Loch geworfen, hoffnungslos gescheitert. Will hatte sich geweigert zu lügen, und Mr. Gosdyke war Klienten nicht gewohnt, die unbedingt die Wahrheit sagen wollten.
    "Inspektor Flint ging in den Vernehmungsraum und sah Wilt an.
    Dann zog er einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Henry«, sagte er mit einer Freundlichkeit, die er keineswegs empfand, »Sie und ich, wir werden jetzt mal ein kleines Schwätzerchen machen.«
    »Was, schon wieder?« sagte Wilt. »Mr. Gosdyke hat mir geraten, nichts zu sagen.«
    »Das«, sagte der Inspektor zuckersüß, »sagt er immer zu Klienten, von denen er weiß, sie sind schuldig. Na, werden Sie jetzt reden?«
    »Warum eigentlich nicht? Schuldig bin ich nicht, und es hilft, die Zeit zu vertreiben.«

- 17 -
    Es war Freitag, und wie an jedem anderen Tag der Woche war die kleine Kirche von Waterswick leer. Und wie an jedem anderen Tag der Woche war der Pfarrer, Hochwürden St. John Froude, betrunken. Die beiden Dinge gehörten zusammen, die fehlende Gemeinde und die Sauferei des Pfarrers. Das war eine uralte Tradition, die noch auf die Schmuggelzeiten zurückging, als der Brandy für die Pfaffen ungefähr der einzige Grund war, warum das abgeschiedene Dörfchen überhaupt einen Pfarrer hatte. Und wie so viele englische Traditionen hatte sie ein zähes Leben. Die Kirchenoberen sahen darauf, daß Waterswick besonders zartbesaitete Pfarrer bekam, deren untragbares Geschwärme sie in der Regel für angesehenere Pfarreien ungeeignet machte, und die Pfarrer wiederum wurden, um sich über die Abgeschiedenheit und das fehlende Interesse an geistigen Dingen hinwegzutrösten, zu Alkoholikern. Auch Hochwürden St. John Froude hielt die Tradition aufrecht. Er nahm seine Pflichten mit der gleichen anglikanischen, buchstabengläubigen Inbrunst wahr, die ihn schon in Esher so unbeliebt gemacht hatte, und warf ein alkoholisiertes Auge auf die Tätigkeiten seiner wenigen Schäflein, die sich nun, da der Brandy nicht mehr so hoch im Kurs stand, mit der einen oder anderen gelegentlichen Bootsladung illegaler indischer Einwanderer zufriedengaben.
    Als er jetzt sein Frühstück aus Eiercognac im Glas und Irish Coffee beendete und über die Schlechtigkeiten seiner bedeutenderen Kollegen nachsann, wie sie in der letzten Sonntagszeitung zu lesen waren, sah er mit Staunen über dem Schilf am Aalfleet etwas flattern. Es sah aus wie Ballons, weiße, wurst-förmige Ballons, die kurz in die Luft stiegen und dann wieder verschwanden. Hochwürden St. John Froude schauderte, er schloß die Augen, öffnete sie wieder und dachte über die Tugenden der Enthaltsamkeit nach. Wenn er richtig gesehen hatte, und er wußte nicht, ob er das wollte oder nicht, wurde der Morgen durch eine Traube von Präservativen, aufgeblasenen Präservativen entheiligt, die völlig chaotisch da herumflatterten, wo der Natur der Sache nach noch nie ein Präservativ geflattert hatte. Wenigstens hoffte er, es sei eine Traube. Er war so dran gewöhnt, Dinge doppelt zu sehen, wenn sie ir Wirklichkeit nur einmal da waren, daß er nicht sicher war, ob nicht das, was wie eine Traube aufgeblasener Präservative aussah, bloß eins oder, schlimmer noch, überhaupt keins war.
    Er schwankte in sein Arbeitszimmer, holte sein Fernglas und trat auf die Terrasse hinaus, um es scharfzustellen. Unterdessen war die Erscheinung verschwunden. Hochwürden St. John Froude schüttelte düster den Kopf. Die Dinge im allgemeinen und seine Leber im besonderen, waren wohl ziemlich aus den Fugen, wenn er so früh am Morgen schon weiße Bal-lönchen sah. Er ging ins Haus zurück und versuchte, seine Gedanken auf einen Vorfall zu richten, bei dem ein Erzdiakon in Ongar sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte und dann mit seinem Kirchendiener durchgebrannt war. Das war ein Thema für eine Predigt, wenn ihm nur eine passende Bibelstelle einfiel.
    Hinten im Garten beobachtete Eva Wilt, wie er sich wieder zurückzog, und fragte sich, was sie tun solle. Sie hatte nicht vor, zum Haus hinaufzugehen und sich dem Pfarrer in ihrem augenblicklichen Zustand vorzustellen. Sie brauchte was

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