Puppenrache
auf.
Die Frau sah sie entsetzt an. »Na, Kindchen, das ist ja eine schauerliche Geschichte! Weißt du, was? Ich mach dir jetzt einen heißen Kakao. Du siehst so aus, als ob du den vertragen könntest. Vielleicht will dein Freund ja auch einen.« Die Frau rollte den alten Bürostuhl hinter der Kasse hervor, klopfte auf die Sitzfläche. »Setz dich solange.«
»Nein, danke, bitte, machen Sie sich keine Umstände.« Allein der Gedanke, etwas zu essen oder zu trinken, ließ sie würgen. »Na, das sind doch keine Umstände! Komm, setz dich dahin. Ich bin gleich wieder da.«
»Nein, bitte, es ist nicht…«
»Keine Widerrede, setz dich!«
Sie setzte sich und die Frau verschwand im Hinterzimmer, wo Sara sie mit Geschirr klappern hörte. Chris war ein Stück die Straße hinuntergegangen, sie sah ihn langsam zurückkommen.
Sie konnte hier nicht still sitzen, Kakao trinken und auf die Polizei warten, auf einen Polizisten, der von nichts eine Ahnung hatte. Der eine, den sie gerade am Telefon gesprochen hatte, klang, als hätte er noch nicht einmal gewusst, dass jemand aus dem Gefängnis ausgebrochen war. Sie müsste alles noch mal und noch mal erzählen. Und dann würden sie es überprüfen lassen und sie müsste die ganze Zeit dort sitzen und warten… Und wahrscheinlich würde sie dann rund um die Uhr bewacht werden, bis man ihn endlich gefunden hätte. Wer weiß, ob sie ihn überhaupt jemals finden würden… Sollte sie so ihr Leben verbringen?
Sara stand auf. Sie hatte lange genug stillgehalten, sich versteckt und das gemacht, was man ihr gesagt hatte. Und wozu? Er würde sie finden, so wie er sie in Sydney und in Melbourne gefunden hatte. Und Polizisten waren auch kein Schutz – sonst würde Tim ja jetzt noch leben…
Sie wollte einen Zwanzigdollarschein neben die Kasse legen, aber da wurde ihr klar, dass sie gar kein Geld mehr besaß. Ihre Tasche war im Apartment. Ihre Hand berührte die Kasse. Es war ein ziemlich altes Modell und an der Seite befand sich ein Hebel, den man nur runterdrücken musste und die Geldschublade fuhr auf. Allerdings mit einem Bimmeln, zumindest hatte sie das in Filmen immer so gesehen. Sara drückte behutsam den Hebel und legte die andere Hand an die Schublade, um sie zu bremsen und hoffentlich das Bimmeln abzustellen. Tatsächlich. Die Schublade öffnete sich.
Einen Moment lang lauschte Sara auf die Geräusche, die aus dem Nebenzimmer kamen, dann schnappte sie sich die Scheine. Hinter der Kassette, in der das Geld lag, sah sie etwas aufblitzen. Sie warf einen Blick über die Schulter, aber die Frau war immer noch mit Kakaokochen beschäftigt. Sie griff nach hinten in das Fach – und zog einen Revolver heraus. Sie überlegte nicht lang, stopfte Geld und Waffe in ihre Jacke und rannte zum Auto, in dem Chris saß und döste.
»Los, fahr!« Sie zog die Autotür zu.
»Ist was passiert?«, fragte er verschlafen, startete aber schon den Wagen und bog auf die Straße ein.
Sie sah zurück, konnte aber die Frau nicht sehen. Vielleicht rührte sie ja immer noch in der Küche den Kakao an. »Alles okay. Ich hab die Polizei angerufen.«
»Und deshalb bist du weggerannt?«
»Ich… ich wollte nicht gleich der Polizei in die Arme laufen und außerdem… außerdem will ich dich nicht in die Sache mit reinziehen.«
Sein Blick sagte ihr, dass er ihr nicht so ganz glaubte. Sie fühlte sich mies. Das Gewicht des Revolvers zog in ihrer Jackentasche. Nein, sie würde ihm nichts davon sagen. Weder von der Waffe noch von dem Geld.
Diese verfluchte Schlampe hatte ihn reingelegt!
Und dass er diesen Scheißcop erledigen musste, war auch nicht geplant gewesen. Wenn sie ihn jetzt schnappen würden, käme er wahrscheinlich sein ganzes Leben lang nicht mehr aus dem Knast. Die drei Jahre waren schon genug gewesen. Nein, die kriegen mich nicht! Nie!
Er schlug aufs Lenkrad. Die Kiste war auch nicht viel besser als die vorherige. Irgendwann würde er mal einen Porsche klauen, unbedingt.
Er riss eine Bierdose auf, warf den Verschluss aus dem Fenster. »Scheiße!« Der Schaum quoll ihm über die Hand, tropfte ihm auf die Hose. Vor Wut hätte er am liebsten die Dose aus dem Fenster geschleudert, aber dann hätte er leider kein Bier trinken können. Also saugte er den Schaum von der Hand und trank ein paar ordentliche Schlucke ab.
»So, Troy, jetzt streng mal dein geniales Hirn an«, sagte er zu sich. »Wie kriegen wir raus, wo sich die Puppe verkriecht?« Das Bier war zu warm, das war das Problem! »Okay, was
Weitere Kostenlose Bücher