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Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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zu vergessen, dass ihre Mutter ja bei einem Verkehrsunfall gestorben war. Bald schon merkte sie, dass sich die anderen von ihr fernhielten. Sie mussten sie für ziemlich verschlossen halten, als wäre sie nicht wirklich an einer Freundschaft interessiert. Dabei sehnte sie sich doch so sehr nach Freunden. Nach Gleichaltrigen, mit denen sie das tun konnte, was sie früher auch getan hatte. Über Typen reden, zusammen losziehen, abhängen, von der Zukunft träumen…
    An jenem Sonntag war sie zum zweiten Mal mit zum Surfen gegangen. Sie hatte behauptet, surfen zu können, doch auf der Welle hatte sie die Angst überfallen und sie war in panischer Eile ans Ufer zurückgepaddelt.
    Dort saß sie dann allein am Strand und sah den Surfern zu. Da fiel ihr einer auf, der die Wellen mit einer besonderen Ruhe und Coolness nahm. Er paddelte nicht hektisch auf den Wellenkamm, er stellte sich nicht zu früh aufs Board, und wenn er dann die Welle surfte, dann schien das Board Teil seines Körpers zu sein. Er strahlte Sicherheit aus – und vielleicht war es das, was sie zuallererst zu Stephen hingezogen hatte.
    Und als er an diesem späten Sonntagnachmittag mit seinem Board unter dem Arm an ihr vorbeiging, da lächelte er sie an und fragte, ob sie nicht surfen wollte.
    Was hatte sie geantwortet? Sara musste einen Moment nachdenken. Ja, richtig, sie hatte etwas von einer Verletzung erzählt, die noch nicht richtig verheilt sei und die ihr Schmerzen bereitete. Unwillkürlich verzog sich ihr Gesicht zu einem bitteren Lächeln. Na ja, so ganz gelogen war das ja nicht.
    Er hatte sich zu ihr in den Sand gesetzt und dann von seiner Surfverletzung erzählt, als er eine Welle falsch eingeschätzt hatte und sie über ihm zusammenschlagen war, wie er auf den Meeresboden gepresst worden war und mit dem Arm auf einen Stein aufschlug. Der Arm war gebrochen gewesen, aber wenn es den Kopf erwischt hätte, hätte er tot sein können.
    »Hast du keine Angst, dass es wieder passieren kann?«, hatte sie ihn gefragt.
    Da hatte er ein bisschen gelächelt und gesagt: »Manchmal schon. Aber dann denke ich an all die schönen Erlebnisse und dann geht sie weg, die Angst.«
    Und er hatte in den Himmel gezeigt, der sich langsam orange gefärbt hatte. Wie gern sie einfach da sitzen geblieben wäre und den Sonnenuntergang mit ihm bewundert hätte. Aber da war plötzlich wieder diese Panik vor Nähe in ihr hochgestiegen und sie hatte sich hastig von ihm verabschiedet.
    Trotzdem war sie am darauffolgenden Sonntag wieder zum Strand gegangen, hatte sich an denselben Platz gesetzt. Und auch er war wieder da gewesen. Und diesmal hatte sie dem Sonnenuntergang mit ihm ein bisschen länger zugesehen…
    Sara zog die Nase hoch. Sie war am Anfang so nah dran gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen. Hätte sie es doch getan! Dann hätte sie ihn nicht verlassen müssen, dann…
    Sie würde ihn so gern anrufen und ihm sagen, dass es nicht seine Schuld war, aber dann würde er sie fragen, warum sie ihn verlassen hätte. Und darauf konnte sie keine ehrliche Antwort geben.
    »Du musst dein altes Leben hinter dir lassen«, hatten sie ihr gesagt. Und sie war zuerst sogar ganz froh darüber gewesen. Ihr Leben war ihr bis dahin nie besonders toll vorgekommen. Also dachte sie, es wäre leicht, es aufzugeben. Aber das war ein Irrtum. Erst im Nachhinein empfand sie so vieles als kostbar und vermisste es. Ihre Mutter zum Beispiel, die sie nervte, weil sie sie jeden Morgen weckte, weil sie nach der Schule wissen wollte, wie es gewesen war, und am Nachmittag fragte, mit wem sie sich treffen würde und ob sie auch alles für die Schule erledigt hätte. Und ihre Freundinnen Amber und Kim vermisste sie auch. Obwohl sie sich oft über sie geärgert hatte, weil sie manchmal so zickig waren. Aber sie fehlten ihr. Und jetzt hatte sie eine so hohe Mauer um sich gezogen, dass niemand mehr zu ihr vordringen konnte. Die Mauer war so hoch, dass sie selbst von drinnen gar nicht mehr nach draußen sehen konnte. Und drinnen war es einsam… und kalt.
    Sie wandte sich vom Fenster ab. Beinahe hatte sie vergessen, dass sie in dem verdreckten Haus in Silver Town stand. Sara ließ ihren Blick durch das Zimmer gleiten. »Tja, dann fang ich mal an.«
    Zuerst ließ sie Wasser in den Putzeimer laufen, dann zog sie die Gummihandschuhe an. Das Ekligste zuerst, hatte sie sich vorgenommen, und so fing sie mit dem Kühlschrank an. Nach einer Stunde war sie damit fertig und sogar ganz stolz auf ihre Arbeit. Die nächsten

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