Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
Abhang. Passte nicht recht in das Schema.
»Und, ist es das Mädchen?«, fragte er.
»Nach dem Versace-T-Shirt zu urteilen würde ich sagen, Ja.«
Rebus blieb stehen, blickte umher. Ein Stück Natur mitten in Edinburgh. Der Arthur's Seat selbst war ein erloschener Vulkan, der von einem Vogelschutzgebiet und drei kleinen Seen eingerahmt wurde. »Ganz schön mühsam, eine Leiche hier heraufzuschleppen«, sagte er.
Pryde nickte. »Sieht eher so aus, als ob sie hier oben ermordet worden wäre.«
»Sie meinen, dass jemand sie hergelockt hat?«
»Oder mit ihr einen Spaziergang gemacht hat.«
Rebus schüttelte den Kopf. »Das Mädchen ist nicht der Typ für solche Spaziergänge.« Die beiden hatten sich wieder in Bewegung gesetzt und den Ort des Geschehens nun fast erreicht: eine Ansammlung gebückter Gestalten in weißen Ganzkörperschutzanzügen. Rebus erkannte Professor Gadem die Anstrengung des Aufstiegs noch ins Gesicht geschrieben stand. Daneben Gill Templer, die schweigend zuhörte und sich umsah. Die Kriminaltechniker unternahmen bereits eine vorläufige Untersuchung des Terrains. Erst nach dem Abtransport der Leiche würde man das Gelände dann mit Unterstützung einiger Beamter Zentimeter für Zentimeter durchkämmen. Keine leichte Arbeit: Das Gras war ziemlich hoch und sehr dicht. Ein Polizeifotograf stellte gerade sein Objektiv ein.
»Ich glaube, näher sollten wir jetzt nicht herangehen«, sagte Pryde. Dann wies er einen Beamten an, noch zwei Schutzanzüge zu beschaffen. Als Rebus den Anzug über die Schuhe streifte, wehte und knatterte das Material in der steifen Brise.
»Ist Siobhan Clarke schon hier?«, fragte er.
»Wir haben versucht, sie und Grant Hood zu benachrichtigen«, sagte Pryde. »Bislang ohne Erfolg.«
»Tatsächlich?« Rebus musste ein Lächeln unterdrücken.
»Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«, fragte Pryde.
Rebus schüttelte den Kopf. »Kein schöner Ort zum Sterben«, sagte er.
»Gibt es denn dafür einen schönen?« Pryde zog den Reißverschluss zu, dann näherten sich die beiden Männer der Leiche.
»Erwürgt«, sagte Gill Templer zur Begrüßung.
»Das ist im Augenblick bestenfalls eine Vermutung«, stellte Gates richtig. »Morgen, John.«
Rebus nickte ihm zu. »Dr. Gurt ist nicht da?«
»Hat sich krankgemeldet. Kommt ziemlich häufig vor in letzter Zeit.« Gates setzte die Unterhaltung fort, während er die Leiche inspizierte. Die Arme und Beine der Toten lagen merkwürdig verrenkt da. Offenbar hatte niemand die Leiche hinter den Ginsterbüschen gesehen, vermutete Rebus. Da das Gras an dieser Stelle ziemlich hoch war, musste man schon sehr nahe herantreten, um genau zu erkennen, was dort am Boden lag. Selbst die Kleidung trug noch zur Tarnung beihellgrüne Armeehose, Khaki-T-Shirt, graues Jackett. Dieselben Kleider, die Flip am Tag ihres Verschwindens getragen hatte.
»Wissen die Eltern schon Bescheid?«, fragte er.
Gill nickte. »Sie wissen, dass wir eine Leiche gefunden haben.«
Rebus ging um sie herum, damit er besser sehen konnte Das Gesicht der Toten war von ihm abgewandt. In den Haaren hatten sich Blätter verfangen, und eine Schnecke hatte dort eine schleimige Spur hinterlassen. Die Haut des Mädchens war helllila. Offenbar hatte Gates den Körper etwas bewegt. Rebus sah die bläulich verfärbten Körperpartien, in denen das Blut sich nach dem Ableben des Mädchens gestaut hatte. Lividität nannte man das im Fachjargon. Er hatte im Laufe der Jahre dutzende von Leichen gesehen. Doch der Anblick machte ihn jedes Mal aufs Neue depressiv, verlor nichts von seinem bedrückenden Charakter. Er fand es immer wieder schwierig zu akzeptieren, dass das Leben tatsächlich vollständig aus einem Organismus gewichen war. Er hatte schon Leute gesehen, die im Leichenschauhaus einen verstorbenen Angehörigen geschüttelt hatten, als ob sie ihn so ins Leben zurückholen könnten. Aber Philippa Balfour würde nicht zurückkommen.
»Die Finger sind angenagt«, sagte Gates mehr zu seinem Diktafon als zu den Umstehenden. »Wahrscheinlich Tiere.«
Wiesel oder Füchse vermutete Rebus. Doch von dieser Seite der Natur war in Tierfilmen im Fernsehen natürlich nie die Rede.
»Ziemlich ärgerlich, das«, sagte Gates. Rebus wusste sofort, was er meinte: Falls Philippa sich gegen ihren Mörder zur Wehr gesetzt hatte, wäre es hilfreich gewesen, wenn man unter ihren Fingernägeln Hautfetzen oder Blutspuren hätte nachweisen können.
»Was für eine Verschwendung«, sagte Pryde
Weitere Kostenlose Bücher