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Puppenspiel - Inspektor Rebus 12

Puppenspiel - Inspektor Rebus 12

Titel: Puppenspiel - Inspektor Rebus 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Revolution im damaligen Schottland keine Nachahmung gefunden, und genau diesem Ziel hatte die Bestrafung der fünf Männer ja gedient.
    Jean fiel wieder jener kommunistische Führer und Denker ein - ob es Marx selbst gewesen war? -, der prophezeit hatte, dass die Revolution in Westeuropa von Schottland ihren Ausgang nehmen würde. Auch so ein Traum...
    Jean wusste nicht viel über David Hume, doch dann stand sie plötzlich vor seinem Grabmal und trank von ihrem Orangensaft. Philosoph und Essayist... Ein Freund hatte ihr mal erzählt, dass Humes wesentliche Leistung darin bestanden hatte, John Lockes Philosophie verständlich zu machen, aber Jean hatte von John Locke genauso wenig Ahnung.
    Auf dem Friedhof lagen noch weitere bedeutende Persönlichkeiten begraben: Blackwood und Constable, wichtige Verleger und einer der Anführer jener »Abspaltung«, die zur Gründung der Free Church of Scotland geführt hatte. Ein Stück weiter östlich direkt außerhalb der Umfassungsmauer stand ein mit Zinnen gekrönter kleiner Turm: die Überreste des alten Calton-Gefängnisses. Jean kannte Zeichnungen, auf denen das Gebäude vom Galten Hill aus zu sehen war: Von dort oben hatten Freunde und Angehörige den Gefangenen unten im Gefängnis früher Neuigkeiten und Grüße zugebrüllt. Als sie die Augen schloss, schaffte sie es beinahe, den Verkehrslärm aus ihrem Bewusstsein auszublenden. Und dann meinte sie im Geiste fast die Schreie zu hören, die damals über den Waterloo Place gegellt waren.
    Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie direkt vor sich, wonach sie gesucht hatte: das Grab von Dr. Kennet Lovell. Der verwitterte und von einer schwarzen Schicht überzogene Grabstein war in die östliche Begrenzungsmauer des Friedhofs eingelassen. An den Ecken waren Stücke herausgebrochen, sodass der Stein an manchen Stellen heller wirkte. Eine kleine Platte nur wenig über dem Boden. »Dr. Kennet Ander-son Lovell«, las Jean, »ein hervorragender Arzt und Bürger dieser Stadt«. Er war 1863 im Alter von sechsundfünfzig Jahren verstorben. Auf der Grabstelle wuchs Unkraut, das die Inschrift zum Teil verdeckte. Jean ließ sich in die Hocke nieder und zog das Grünzeug beiseite. Dabei stieß sie auf ein gebrauchtes Kondom, das sie mit einem großen Blatt zur Seite schob. Es war bekannt, dass sich auf dem Friedhof abends Paare trafen. Jean versuchte sich vorzustellen, wie die Leute - an diese Wand gelehnt - kopulierten und dabei auf den Knochen von Dr. Lovell herumtrampelten. Wie Lovell das wohl fand? Und dann erschien plötzlich vor ihrem geistigen Auge das Bild eines anderen Paares: sie selbst und John Rebus. Eigentlich überhaupt nicht ihr Typ. Die Männer, mit denen sie in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte, waren meist Uni-Leute gewesen. Außerdem noch eine kurze Affäre mit einem verheirateten Bildhauer. Er war mit ihr oft auf Friedhöfen gewesen, seine Lieblingsorte. Durchaus möglich, dass John Rebus ebenfalls eine Schwäche für Friedhöfe hatte. Am Anfang ihrer Bekanntschaft war er für sie eine Herausforderung, eine Art Kuriosität gewesen. Und selbst jetzt kostete es sie noch einige Mühe, in ihm nicht so etwas wie ein Ausstellungsstück zu sehen. Er hatte so viele Geheimnisse und verbarg so viel von sich vor der Welt. Sie wusste, dass sie noch eine Menge Arbeit vor sich hatte.
    Nachdem sie das Gestrüpp beiseite gezogen hatte, sah sie auf dem Grabstein, dass Lovell immerhin dreimal verheiratet gewesen war und dass seine Frauen allesamt vor ihm gestorben waren. Kinder waren nicht erwähnt... Sie überlegte, ob etwaige Nachkommen womöglich woanders bestattet waren. Oder er hatte keine Kinder gehabt? Aber hatte John nicht was von einer Nachfahrin gesagt? Als sie die Daten genauer inspizierte, sah sie, dass die Frauen jung gestorben waren. Vielleicht waren sie ja im Kindbett gestorben.
    Seine erste Frau: Beatrice, geb. Alexander. 29 Jahre alt.
    Seine zweite Frau: Alice, geb. Baxter. 33 Jahre alt.
    Seine dritte Frau: Patricia, geb. Addison. 26 Jahre alt.
    Und dann noch die Inschrift: Heimgegangen/Wir sehen uns wieder/Im süßen Himmelreiche.
    Muss ein schönes Wiedersehen gewesen sein für Lovell und seine drei Frauen, dachte Jean. Sie hatte zwar einen Stift in der Tasche, aber kein Papier. Deshalb sah sie sich auf dem Friedhof um und entdeckte ein zerrissenes altes Kuvert. Sie wischte den Schmutz und den Staub von dem Papier ab und notierte sich die Daten. Siobhan saß wieder an ihrem Schreibtisch und war gerade damit

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