Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
polierte Flächen, dicke Mauern und Böden, die jedes Geräusch verschluckten.
»Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich gefunden haben.«
»Allerdings habe ich dem, was ich Ihnen bereits am Telefon erzählt habe, eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.« Jan Benzie wirkte zerstreut, als ob sie in Gedanken ganz woanders war. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb sie sich auf die Verabredung überhaupt eingelassen hatte. »Ein äußerst merkwürdiger Tag heute, Ms. Burchill«, sagte sie.
»Ach ja?«
Doch Jan Benzie zuckte bloß mit einer Schulter und wiederholte die Frage, ob sie Jean etwas zu trinken anbieten könne.
»Ich möchte Sie nicht lange aufhalten... Sie haben doch gesagt, dass Sie mit Patricia Lovell verwandt sind, nicht wahr?«
»Ururgroßmutter oder so was.«
»Sie ist bereits in jungen Jahren verstorben, oder?«
»Vermutlich wissen Sie mehr über sie als ich. Ich wusste ja nicht mal, dass sie auf dem Old-Calton-Friedhof beerdigt ist.«
»Wie viele Kinder hatte sie?«
»Nur die eine Tochter.«
»Wissen Sie, ob sie im Kindbett gestorben ist?«
»Keine Ahnung.« Jan Benzie lachte über die Absurdität der Frage.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Jean, »ich weiß, das klingt alles etwas makaber.«
»Ein bisschen schon, zugegebenermaßen. Ich habe doch richtig verstanden, dass Sie sich mit Kennet Lovell befassen?«
Jean nickte. »Befinden sich zufällig noch irgendwelche Papiere von ihm im Familienbesitz?«
Jan Benzie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Und Sie haben auch keine Verwandten, die womöglich...?«
»Das glaube ich nicht, nein.« Sie betastete mit der Hand vorsichtig die Oberfläche des Beistelltischs, der neben ihrem Sessel stand, nahm ihre Zigarettenpackung und schüttelte eine Zigarette heraus. »Möchten Sie...?«
Jean schüttelte den Kopf und sah zu, wie Jan Benzie mit einem schlanken goldenen Feuerzeug ihre Zigarette anzündete. Sie schien alles, was sie tat, in Zeitlupe zu machen. Jean fühlte sich fast in einen Film versetzt, der zu langsam abgespult wurde.
»Ich versuche herauszufinden, ob wenigstens Teile des Briefwechsels zwischen Dr. Lovell und seinem Wohltäter die Zeiten überdauert haben.«
»Ich habe bisher von der Existenz eines solchen Menschen nicht einmal Kenntnis gehabt.«
»Ein Geistlicher aus Ayrshire.«
»Tatsächlich?«, sagte Jan Benzie, doch Jean spürte, dass sie an dem Thema nicht wirklich interessiert war. Im Augenblick bedeutete ihr die Zigarette, die sie zwischen den Fingern hielt, unendlich viel mehr als alles andere auf der Welt.
Jean beschloss, noch einen Versuch zu unternehmen. »In der Surgeon's Hall hängt ein Porträt von Dr. Lovell. Ich nehme an, dass der erwähnte Geistliche diese Arbeit in Auftrag gegeben hat.«
»Tatsächlich?«
»Haben Sie das Bild schon mal gesehen?«
»Nein, da müsste ich lügen.«
»Dr. Lovell hatte mehrere Frauen. Wussten Sie das?«
»Drei, glaube ich, nicht wahr? In Anbetracht der damaligen Verhältnisse gar nicht mal so viele.« Benzie machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich habe ja auch schon den zweiten... wer kann schon sagen, ob es dabei bleibt?« Sie betrachtete die Asche vorn an ihrer Zigarette. »Mein erster hat sich nämlich umgebracht, wissen Sie.«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Woher sollten Sie auch?« Sie hielt inne. »Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass Jack das Gleiche tut.«
Jean war nicht sicher, was Jan Benzie genau meinte, doch ihrem Blick nach zu urteilen schien sie eine Reaktion von Jan zu erwarten. »Würde wahrscheinlich Misstrauen erregen, wenn Sie auch noch Ihren zweiten Ehemann verlieren«, sagte Jean.
»Aber ein Kennet Lovell, der kann gleich drei Frauen verlieren...?«
Genau das hatte Jean auch gedacht.
Jan Benzie stand auf und trat ans Fenster. Jean sah sich wieder in dem Zimmer um: all die kostbaren Objekte, die Gemälde, die gerahmten Fotos, die Kerzenleuchter und die Kristallaschenbecher... Doch plötzlich hatte sie das sichere Empfinden, dass Benzie nichts von alledem gehörte. Diese Dinge hatte Jack McCoist mit in die Ehe gebracht.
»Gut«, sagte sie, »ich verabschiede mich jetzt lieber. Und danke nochmals.«
»Keine Ursache«, sagte Benzie. »Hoffentlich finden Sie, wonach Sie suchen.«
Plötzlich erklangen unten in der Halle Stimmen, und die Eingangstür fiel ins Schloss. Dann kamen die Stimmen die Treppe herauf.
»Claire und mein Mann«, sagte Jan, setzte sich wieder in ihren Sessel und nahm dort eine Pose ein wie das Modell eines
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