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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Angelegenheit ist heikel. Sehr heikel.«
    »Verstehe. Dringend?«
    »Sehr dringend.«
    »Dann komm morgen Abend zu mir. Gegen acht.«
    »Danke. Bis dann.«
    Clarissa legte auf und griff nach ihrem Cognac. Angespannt wollte sie einen Schluck nehmen, sah dann aber angewidert auf den Alkohol und stellte das Glas beiseite. Sie brauchte keinen Nerventrost, sondern einen klaren Kopf. Sie musste nachdenken. Was genau sie Herbert sagen würde. Und was genau sie von ihm wollte.

Berlin.
    Jochen Kratz saß im Großraumbüro seiner Zeitung und konzentrierte sich auf die Arbeit. Seinen Artikel hatte er schon in Druck gegeben. Aber er war nicht zufrieden. Also ging er auch nicht nach Hause. Das Gerede der anwesenden Kollegen der Nachtschicht, ihr Gehacke auf den Tastaturen, das ständige Telefonklingeln, die Gerüche aus Kaffee, Pommes und Currywurst, die sich in dem überhitzten Raum vermengten – all das nahm Jochen Kratz nicht wahr. Er ging alle Informationen durch, die er über den April-Mord in München hatte sammeln können, und versuchte, sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu den Geschehnissen in Berlin zu setzen.
    Jochen nahm seine Arbeit als Kriminalreporter ernst. Er liebte sie. Schon als Kind hatte er unbedingt Detektiv oder Kommissar werden wollen. Doch sein ausgeprägter Hang zur Fettleibigkeit hatte der Sportprüfung bei der Polizei diametral entgegengestanden. Also hatte Jochen ein paar Semester Jura studiert und sich dabei zu Tode gelangweilt. Schließlich volontierte er beim Morgenecho. Mit dem einen Ziel: der beste Kriminalreporter Deutschlands zu werden. Jochen verachtete die meisten seiner Kollegen, die sich regelmäßig an den Tatorten versammelten. Die einen interessierten sich weder für die Tat noch für die Hintergründe oder die Opfer. Sie interessierten sich nur für die Auflage ihrer Zeitung und dass sie möglichst schnell wieder ins Bett kamen, nachdem sie ein paar müde Zeilen geschunden hatten. Die anderen waren sensationslüsterne Arschlöcher, ebenfalls nur interessiert an der Auflage und daran, ihren Namen möglichst groß auf der Titelseite zu sehen. Dafür verdrehten sie auch gerne mal Tatsachen, nahmen Vorverurteilungen bei Verdächtigen vor und hetzten die Öffentlichkeit gegen wen oder was auch immer. Es gab nur einen Kollegen, den Jochen schätzte, das war Nico vom Radio. Nico war ein hochsensibler freier Journalist, der unbedingt Kulturredakteur werden wollte. Da es in der Kultur aber keine freien Stellen gab, hielt er sich als Kriminalreporter über Wasser und versuchte, sich beim Sender seine Sporen zu verdienen, auf dass man ihn irgendwann einmal gnädig in die Kultur holen würde, wo er dann endlich Theater, Ballett und Ausstellungen besprechen konnte. Nico wurde jedes Mal übel, wenn er eine Leiche sah. Jochen machte das nichts aus. Wenn er an einem Fundort war, sah er das Gesamtbild. Die Leiche verschwand im Dekor.
    Jochen betrachtete eingehend das ausgedruckte Handy-Foto von der Holzkiste mit dem leeren Stuhl darin, das er Chico von Madame Tussauds abgekauft hatte. Die Plastikfolie lag noch auf dem Boden der Kiste. Leider hatte Chico kein Foto von der Leiche machen können. Zuerst hatte sein Kollege neben ihm gestanden, dann war der Verwaltungsdirektor dabei, und schließlich hatte die Polizei den Ort abgeriegelt. Die Reporter waren auf besonderen Befehl eines Hamburger Sonderermittlers nicht vorgelassen worden. Jochen wusste inzwischen, wer der Hamburger war. Und er wusste auch, wenn Christian Beyer und sein Team angefordert wurden, dann fürchtete die Polizei, es mit einem Serientäter zu tun zu haben. Normalerweise sprach man erst ab der dritten Leiche von einer Reihe. Deswegen fragte sich Jochen, ob er irgendetwas verpasst hatte. Er vermutete jedoch eher, dass schon die zweite Leiche hier in Berlin genügt hatte, um Beyer auf den Plan zu rufen. Die Fälle standen so deutlich in Verbindung, dass es sich um ein und denselben Täter handeln musste. Zudem waren die Umstände der Taten derart bizarr, dass der Wiederholungszwang eines krankhaften Hirns zu befürchten stand. Chico hatte Jochen von dem weißen Puder auf der Leiche und der Komplettrasur erzählt. Jochen hätte es zu gerne gesehen. Außerdem war er brennend daran interessiert zu erfahren, was in dem beigelegten Brief gestanden hatte. Chico wusste es nicht. Und Jochen hatte keine Ahnung, wie er da rankommen sollte.
    Er grinste. Hauptkommissar Striebeck hatte ihn heute auf dem Friedhof heftig ins Gebet genommen und

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