Purgatorio
wie, findet sich Emilia auf den Laken liegend, während er, ebenfalls nackt, sich über ihrem zitternden Körper erhebt. Alles geschieht so, wie sie es wollte. Die Lippen zwischen den Beinen öffnen sich, auf einmal prall und stolz auf ihr Fleisch. Simón ragt steif. Und offensichtlich ist er in diesen Jahren gewachsen und schlanker geworden. Er bespringt sie mit dem Geschick, das Emilia nur bei den reinrassigen Pferden ihres Vaters gesehen hat, wenn sie sich mit den Beinen wie verzweifelt auf dem Rücken der Stute abstützen. Sie spürt ihn zutiefst in sich drin, während er in dauerndem, weisen Rhythmus die Klitoris weiterstreichelt. Welches Glück, wie tief ist er drin, wie tief, er könnte sogar noch weiter gehen, doch sie zittert, brüllt sieghaft und endet atemlos, zitternd. Bleib, lass uns weitermachen, bittet er. Meinetwegen könnte es das ganze Leben so weitergehen, antwortet sie. Sie ist ergriffen. Sie hat eine Liebe wie die von früher erwartet, und die jetzige ist besser, die wildzärtliche Liebe zweier Jugendlicher. In den ersten Monaten nach der Hochzeit versuchten sie verzweifelt, gleichzeitig zum Orgasmus zu kommen, als wäre jedes Mal das letzte Mal, doch wenn die Umarmung zu Ende war, hatten sie die Empfindung, sie müssten es gleich noch einmal tun, damit es noch besser würde. Immer hatten sie das Gefühl, es sei möglich, etwas weiterzugehen, und aus Ungeschick machten sie an einem Rand halt, den der andere ihnen nicht zu überschreiten erlaubte. Jetzt weiß sie, dass sie es war, die Angst hatte, von diesem Rand zu fallen – er hätte alles akzeptiert. Wie viel wird ein Körper wohl schaffen?, fragt sie sich, wie viel wird mein Körper wohl schaffen?
An dem Abend, als sie nach Tucumán kamen, vor der absurden Episode in Huacra, erfuhr sie, dass die Liebe auch anders sein kann. Kaum waren sie im Hotelzimmer – verlottert und schmutzig, wie alle, die ihnen ihre Chefs reservierten –, zogen sie sich hastig aus. Das Bett war unbequem, und die ausgeleierten Sprungfedern bildeten eine Kuhle in der Mitte der Matratze, aber trotzdem warfen sie sich aufeinander, ohne dass irgendetwas sie störte, leckten und verzehrten sich, mitgerissen von der Gewalt ihrer Gerüche. Das war nur ein einziges Mal geschehen, und dennoch blieb ihr die Erinnerung daran so lebendig, dass sie sie, wohin sie auch ging, nicht in Ruhe ließ. Jetzt braucht sie sie nicht mehr. Sie richtet sich halb auf dem Bett auf und knipst die Erinnerung wie eine Lampe aus.
Auch Simón steht auf und geht zur Stereoanlage. Auf dem Turm der CD s findet er Jarretts
Köln Concert
, das sie in der Wohnung von San Telmo gehört hatten.
Wollen wir das auflegen?, fragt sie. Der zweite Teil gehört zum Muzak im Büro. Sie haben es ausgelatscht wie einen Nonnenschuh. Da, wo deine Hand ist, ist das
Carnegie Hall Concert
, das ist vom letzten Jahr und wird dir bestimmt besser gefallen.
Ich kenne es. Es ist super, aber es ist nicht dasselbe. Der Kölner Jarrett ist nach wie vor das, was wir waren.
Er kommt ins Bett zurück. Der Klangniesel legt sich auf ihre Körper. Emilia lässt die Nacht sich ereignen, ohne dass sich irgendetwas anderes ereignet außer der Nacht. Ab und zu betrachtet sie ungläubig den schlafenden Ehemann: Das Muttermal unter dem rechten Auge hat noch genau dieselbe Tönung reifer Feigen, einige kaum wahrnehmbare Falten zeigen sich neben den Lippen, und sie wundert sich, dass dieser Körper ihr gehört – jeder fände es obszön, dass eine Frau von sechzig Jahren unsterblich in diesen dreiunddreißigjährigen Jüngling verliebt ist. Das ist eine unerwartete Schicksalsgabe und, wenn sie es sich genau überlegt, vielleicht auch die durchaus angebrachte Entschädigung für so viele Jahre des Wartens. Sie zieht diese verrückte, unersättliche Liebe dem Leben vor, das sie gehabt hätte, wenn alles seinen normalen Lauf genommen hätte: eine Ehe, die nur durch Gewohnheit Bestand hätte, bewegt von der Melodie der Familienfeste, der Quizshows und des Spätfilms. Die unechte Witwenschaft tauchte sie in die Benommenheit so vieler Seifenopern, dass sie schon nicht mehr weiß, bei welcher sie in der Hälfte aufgab, als ihr Simón abhandenkam. Ob es
Rosa von fern
war? Nein, die ist später gekommen. Vielleicht
Pablo in unserer Haut
, bei der sie so sehr geweint hat, als sich Mariquita Valenzuela und Arturo Puig auf dem Flughafen voneinander verabschiedeten, während er ihr mit feuchten Augen rezitierte:
Alle sollen wissen, dass ich dich
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