Purgatorio
Segen für Argentinien bitten. Dupuy stimmte allem zu und legte ihnen ans Herz, den Regisseur in Ruhe zu Ende arbeiten zu lassen. Man würde Millionen ausgeben, und er wollte nicht schon vorher Streit. Er rief Welles’ Agenten an und flog kurz darauf nach Los Angeles, um die Einzelheiten des von ihm bereits
Jahrhundertfilm
genannten Unterfangens zu besprechen.
Orson, wurde ihm gesagt, sei oft auf Reisen und bleibe nur selten untätig in seinem Haus in Beverly Hills. Manchmal flog er nachts nach Boston und musste am nächsten Tag in einem verlorenen Dorf in Arizona sein. Unermüdlich arbeitete er an der
Othello
-Verfilmung, an der Adaptation einer Erzählung von Isak Dinesen, an einem weiteren Drehbuch zu einem Roman von Graham Greene. Einer der Agenten wiederholte ihm Welles’ Kommentar zu Dupuys Projekt. Ein Film über Argentinien? Flamenco und Stierkämpfe? Macht mich neugierig. Sagt diesem Mann, er soll herkommen. Ich bin von Capone, Lucky Luciano und Costello verfolgt worden, um Filme für sie zu machen. Ich bin sie losgeworden und immer noch am Leben.
Welles erwartete ihn in der hinteren Galerie, neben einem riesigen nierenförmigen Schwimmbecken. Es war Dezember, eine unfreundliche Brise blies, und gelbes Laub wirbelte umher. Wie damals in Toledo biss der Regisseur auf einer Riesenzigarre herum. Sie gab keinen Rauch mehr von sich. Er zerkaute sie und spuckte die braunen Krümel auf den Boden. Sein Körper war noch immer ehrfurchtgebietend, aber er war aufgedunsen, und das Bauchfett bildete Wülste über der Hose. Ein livrierter Kellner brachte zwei Whiskygläser und schenkte großzügige Mengen ein, auf die Welles nicht zu achten schien. Er war in die Lektüre von Dupuys Karte vertieft (seines Namens, seiner Telefonnummern, des Logos von
La República
) und überflog dazwischen ständig die Notizen und Fotos auf dem Tisch. Vermutlich Drehbücher, Aktennotizen von Schauspielern, dachte der Doktor. Er muss nicht erst beweisen, dass er ein vielbeschäftigter Mann ist, das weiß ich. Er merkte, dass ihn der andere nicht erkannte. Logisch, wir haben uns ja nur ganz kurz an einem Nachmittag gesehen, und er schickte sich darein. Die Erinnerung würde ihm schon zurückkehren, wenn er ein Angebot hörte, das größer war als Hollywood und Spanien, ein Angebot (wiederholte Dupuy für sich, um sich Mut zu machen) groß wie die Welt. Selbstbewusst sprach er Spanisch mit ihm. Der Regisseur antwortete auf Englisch.
Darf ich dich Orson nennen?, sagte Dupuy. Wir haben uns vor zehn Jahren vor Antonio Bienvenidas Garderobe kennengelernt.
Nenn mich Orsten, sagte Welles und gab nicht zu erkennen, ob er sich an Bienvenida erinnerte. So nannte mich Lucky Luciano, Orsten. Und ich nannte ihn Charlie. Kann ich dich Charlie nennen?
Wenn du meinst. Gestatte mir, dass ich dir das Projekt erläutere.
Dupuy musste mehrere Male ansetzen. Welles hatte keine Ahnung von Fußball, hatte noch nie etwas von der Weltmeisterschaft gehört, sein Argentinienbild bestand aus einem Pampahorizont. Vage erinnerte er sich an Buenos Aires, wo er 1942 einen Preis für
Citizen Kane
entgegengenommen hatte. Es gab eine Faschistendemo gegen mich, sagte er. Damals hat dein Land mit dem Faschismus sympathisiert, nicht wahr, Charlie? Der Doktor schwieg, er mochte sich nicht in ideologischen Erklärungen verheddern. Das hieße Sumpfgebiet betreten. Er, Dupuy, war ein Meister der Politik, Welles dagegen weniger als ein Lehrling. Umgekehrt hatte Dupuy seit Jahren kein Kino mehr betreten. Ich will dich nicht allzu lange aufhalten, Orsten. Ich komme, um dir einen Dokumentarfilm mit unbegrenztem Budget vorzuschlagen, hörst du? Die Realität ist bereits gegeben, die Hälfte des Films wird improvisiert. Er wusste, dass dem nicht so war, die Riefenstahl hatte wie eine Goldschmiedin gearbeitet, aber er mochte ihn nicht entmutigen. Es ist nur ein Dokufilm, das machst du alles mit links. Du musst sehr wenig dazu beisteuern, Orsten. Deine Stimme und deinen Blick. Und deinen Namen, Orson. Am Ende wirst du Geld haben für all deine Projekte, die du unfertig hast liegen lassen. Du wirst
Don Quijote
,
König Lear
, den
Zauberberg
neu verfilmen können.
Der Zauberberg
hat mich nie interessiert, stellte Welles richtig. Und was ich habe liegen lassen, das bleibt liegen. Gestatte, dass ich dir unser Projekt etwas genauer erkläre. Ich brauch bloß zwei Minuten, insistierte Dupuy. Meine Regierung möchte, dass du uns einen großen Film machst, etwas, was dich in die Geschichte
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