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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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Dunst, ein Lichtlein, obwohl wir wissen, dass auch die tiefste Spur wie ein Vogel mit dem Wind entfliegen wird? Ob ein Menschenwesen oder das andere, es kommt auf eins heraus, möglicherweise sind wir alle tot und merken es nicht oder sind noch nicht geboren und wissen es nicht, sagte ich zu Emilia bei einem der letzten Male, da ich sie sah. Wir kommen auf die Welt, ohne es zu wissen, aus einer Anhäufung von Zufällen, und gehen wer weiß wohin, höchstwahrscheinlich gar nirgends hin. Hättest du Simón nicht geliebt, so hättest du einen anderen geliebt. Du hättest es freudig und ohne Schuldgefühle getan, denn was man nicht kennt, das liebt man nicht. Der Gedanke gefiel ihr nicht, sie konnte sich die Welt ohne Simón nicht vorstellen, und lieben war nur in Bezug auf ihn sinnvoll. Ich glaube, ich konnte mich an diesem Abend nicht wirklich deutlich ausdrücken. Jetzt könnte ich ihr sagen, dass ich ein optimistischer Mensch bin, dass allein der Umstand, dass ich existiere und liebe, ausreicht, damit alles sinnerfüllt ist. Für Emilia ist es nicht so, und sie hat vollkommen recht. Das weiß ich, wenn ich unter den Papieren, die sie hinterlassen hat, eine Karte sehe – die Karte einer Stadt, die sich über die Zeit, nicht über den Raum hinweg erstreckt, aus diesem Grund vielleicht eine unmögliche Stadt. Es gibt durchsichtige Streifen mit Daten, unter denen die Stadt stets anders erscheint. In der Mitte erhebt sich neben einem See oder Teich ein großer Palast. Über den Palast hat sie in Großbuchstaben das Schlüsselwort ihres Lebens geschrieben, Simón. Die Karte ist zerrissen, speichel- und tränenfeucht. Es fehlen Streifen, Stücke, Kompasse, Maßstäbe, und ich glaube, es ist müßig zu fragen, wo sie sind.
     
    Seit Stunden entziffere ich, was sich zwischen den Knicken der mir von Nancy Frears anvertrauten Ausschnitte oder auf der Rückseite der Fotos verbirgt. Vielleicht ist nichts von dem, was es hier gibt, der Mühe wert, vielleicht ist der Teil von Emilias Leben, den ich nicht kenne, nur eine Mondeinöde oder ein nutzloser Felsen wie Kaffeklubben. Ich beginne in einem der Hefte zu lesen. »Ich habe erfahren, dass D. Modistin ist, und sie gebeten, mir ein paar Kleider zu machen …« Mein Handy, das ich immer bei mir habe, klingelt, und ich schiebe das Heft weg. Es ist Mittag. Nur wenige wissen, dass ich ein Mobiltelefon habe, und ich kenne die Nummer des Anrufenden nicht. Ich bin sicher, dass es sich um einen Irrtum handelt, und mache mich bereits auf die Entschuldigungen gefasst.
    Ich bin’s, Emilia, sagt sie. Sie ist es.
    Ich antworte verwirrt. Sie hat mich derart überrascht, dass ich nur schleppend reagieren kann. Ich erinnere mich nicht einmal mehr, wo ich sie versteckt geglaubt habe.
    Man sucht dich überall, sage ich. Nancy war sehr erschrocken und hat die Polizei benachrichtigt. Du hast einen Wirbel verursacht, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Wo bist du denn? Kann ich dich anrufen?
    Einen Wirbel, antwortet sie. Ihre Stimme wirkt vollkommen gelassen. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Mir geht es gut, besser denn je.
    Das freut mich, sage ich. Aber wenn man dich findet, wird man dich festnehmen.
    Ich habe nichts getan, ich bin frei hinzugehen, wo ich will.
    Natürlich. Das Problem ist nur, dass du gegangen bist, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Die Polizei hat mich gefragt, ob du Selbstmordtendenzen hast, ob du deprimiert warst. Einer der Beamten hält es für möglich, dass du entführt worden, vielleicht sogar tot bist. Du hast deinen Altima mitgenommen.
    Was für eine Zeitverschwendung. In diesem Kaff wissen sie nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, das sie nicht haben.
    Sie suchen dein Auto, sage ich. Früher oder später werden sie dich finden. Kann ich dich sehen?
    Darum ruf ich ja an, damit wir uns treffen.
    Natürlich. Sag mir einen Ort, eine Zeit. Jetzt zum Beispiel bin ich frei.
    Jetzt nicht. Heute Abend, um acht. Im Toscana, wo wir uns zum ersten Mal gesehen haben.
    Das Toscana gibt’s nicht mehr, rufe ich ihr in Erinnerung.
    Macht nichts. Die Orte, die es nicht gibt, sind die besten, wie auf den Karten. Ich werde nicht allein kommen.
    Wo also, insistiere ich. Ich will dich nicht verpassen. Nach unserem Treffen werde ich die Polizei benachrichtigen müssen. Hoffentlich verstehst du das.
    Ich verstehe es. Also um acht, im Toscana.
    An dieser Ecke, wiederhole ich, damit sie sich nicht irrt. Mit wem kommst du, Emilia?
    Mit Simón, sagt sie. Wir werden zusammen da

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