Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
Vom Netzwerk:
Mirijam fühlte, dass sie im Augenblick weder den Mut noch die Kraft für einen Neubeginn besaß, im Gegenteil, sie war zutiefst erschöpft. Dennoch wusste sie, dass der alte Vater recht hatte: Hatte sich erst alles wieder beruhigt, würden sie sich irgendwo ein neues Zuhause schaffen. Vermutlich nicht in Mogador, aber möglicherweise an anderer Stelle an der Küste, vielleicht aber auch im Landesinneren, das würde sich finden. Und sollte ihr Bleiben auf dem Gebiet dieser Wüstenkrieger auf Dauer nicht möglich sein, blieben ihnen immer noch die nördlichen Regionen, die dem Sultan von Fes unterstanden.
    Nicht nur hatten sie vieles von ihren Sachen gerettet, darunter etliche von Abu Alîs geliebten Büchern, vor allen Dingen besaßen sie nach wie vor ihre Rezepturen. Außerdem verfügten sie über ausreichend Gold und Silber in ihren Truhen, um sich irgendwo in Ruhe eine neue Existenz aufbauen zu können. Dazu benötigten sie noch nicht einmal den Rest ihres Vermögens, der bei Aisha bestimmt wohl versorgt auf ihre Rückkehr wartete.
    Unentbehrlich für einen Neubeginn, wo auch immer der sein würde, war jedoch ihre kleine Familie, ihr Abu und natürlich Miguel. Wenn er nur endlich heil zurückkam! Wie oft hatte sie schon bereut, ihn zu dieser Reise auch noch ermutigt zu haben. Aber hoffentlich kehrte er nun nicht ausgerechnet in diesen Tagen heim und lief den fanatisierten Berbern in die Arme!
    » Du sorgst dich um den Kapitän? Das ist unnötig«, bemerkte der Hakim. » Er besitzt ausgezeichnete Verbindungen, so dass er über sämtliche Vorgänge vermutlich besser informiert ist als wir.«
    » Du hast recht«, nickte Mirijam dankbar, » außerdem hat er das Geschick einer Katze. Am einfachsten wäre es, wenn wir nach Santa Cruz gehen könnten, in Miguels Haus. Aber gerade das ist unmöglich, als Hauptsitz der portugiesischen Verwaltung entbrennen dort in der Stadt vermutlich die heftigsten Kämpfe!«
    Der Hakim nickte und schloss die Augen.
    Sie vergewisserte sich, dass er wirklich warm in seinem Winkel lag. Sagte man nicht der Seeluft ausgezeichnete Heilkräfte nach? Und wenn ihr Abu nach vorn schauen konnte, so konnte sie das ebenfalls, sie durfte sich von den Umständen nur nicht entmutigen lassen. Hatte sie denn nicht – neben Angst, Schock und Schmerz – heute auch etwas Wunderbares erlebt? Im Laufe der Nacht wanderte ihr Blick oft zu Cornelisz hinüber. Und jedes Mal tat ihr Herz vor Freude einen zusätzlichen Schlag.
    Er war größer als früher und schlank, fast schon ein wenig mager, dabei breitschultrig, und er hatte schöne Hände. Die hatten ihr schon früher gefallen, obwohl sie in ihrer Erinnerung noch feingliedriger gewesen waren, richtige Malerhände eben. Cornelisz war ihr eigentlich immer nahe gewesen. Wie auch nicht, dachte sie, schließlich hatte sie seit frühester Kinderzeit ihren Lebensfreund in ihm gesehen. Und als er heute plötzlich vor ihr stand, war es, als würde die Zeit zurückgedreht. Sie fühlte, wie ihr warm ums Herz wurde.
    Mit Anbruch des Tages näherten sie sich endlich Cadidjas Dorf. Es lag oberhalb einer Steilklippe, und man hatte ihr Näherkommen längst bemerkt. Am Strand wurden sie deshalb bereits von einer Schar Männer, Frauen und Kinder erwartet, die sogleich das Ausladen übernahmen. Die Männer sahen verwegen aus, hohlwangig und sehnig von ihrer harten Arbeit als Fischer, und die Frauen gingen unverschleiert.
    Während Cadidja von den Frauen des Dorfes mit Freudentrillern begrüßt wurde und die Männer Kisten und Bündel nach oben wuchteten, musste Mirijam ihre letzten Kräfte mobilisieren, um den schmalen Weg über Steine, spitze Grate und Dorngebüsch bis ins Dorf emporzusteigen. Cornelisz nahm ihre Hand und führte sie bergauf. Oben angelangt, blickte sie zurück und sah dem Boot nach, das den Schutz des kleinen Hafens bereits wieder verlassen hatte. Sie hob die Hand zum Abschied, doch der Kapitän und seine Männer bemerkten nichts davon.
    Das Dorf bestand aus wenigen Häusern und einer winzigen Moschee, erbaut aus Bruchsteinen und Lehmziegeln, die sich hinter niedrigen Bäumen und einer Mauer vor dem Wind duckten. Kinder trieben Ziegen auf die Weide, es gab einen Brunnen, Hühner liefen herum, und irgendwo schrie ein Esel.
    Vorsichtig wurde der alte Hakim im Schutz einiger windgebeugter Lebensbäume gelagert. Er hielt die Augen geschlossen, und die tief eingegrabenen Falten und Schatten in seinem Gesicht zeugten von den durchgestandenen Strapazen. Schlief er?

Weitere Kostenlose Bücher