Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
Vom Netzwerk:
in seiner Brust. Die Nacht auf dem Wasser hatte ihm nicht gutgetan, im Gegenteil. Mirijam hielt ihn in den Armen, bis sich sein Atem wieder beruhigt hatte, dann ließ sie ihn behutsam zurück auf sein Lager sinken und tupfte ihm den Schweiß von der Stirn. Tiefe Schatten lagen um seine Augen, und die Nase trat scharf aus dem wachsbleichen Gesicht hervor.
    » Armer Abu! Ruh dich aus. Gleich bekommst du einen Tee.« Sie nahm seine Hand und wollte unauffällig nach dem Puls tasten. Der Hakim jedoch wehrte ab. » Tu es nicht. Mein Lebensweg ist fast am Ziel angelangt, und im Grunde wissen wir beide das längst.«
    Mirijam musste sich tief zu ihm niederbeugen, um ihn verstehen zu können. Der Sherif hatte die Augen geschlossen und flüsterte: » Was für ein Segen, dass Allah unsere Schicksale vereinte. Durch dich erfuhr ich das tiefe Glück, Vater zu sein, und ich danke dem Allmächtigen jeden Tag dafür. Du gabst meinem Leben Inhalt, einen wunderbaren neuen Sinn, wie nun bald auch deines einen neuen Sinn erhalten wird. Du wirst voller Glück und Freude sein, ich weiß es. Verscheuche also deine Angst, und fass Vertrauen zu dir. Du bist tapfer, klug und stark wie kaum eine andere. Du denkst stets daran, wie du anderen helfen…« Der Husten kam zurück. Er schüttelte den Alten und nahm ihm die Kraft zum Sprechen.
    Mirijam liefen die Tränen über das Gesicht, als sie ihn bei den Schultern ergriff und aufrichtete, damit er leichter atmen konnte. Aber auch sie war inzwischen erschöpft und vermochte ihn kaum zu halten.
    Plötzlich tauchte Cornelisz an Abu Alîs anderer Seite auf. Ihre Blicke trafen sich, dann fasste er zu, legte seinen Arm um den Kranken und hielt ihn. Diesmal war der Anfall überraschend schnell vorüber. Schon bald lag der Hakim wieder in seinen Kissen, atmete gleichmäßig, und sogar die Farbe kehrte allmählich in sein Gesicht zurück und legte sich über seine Wangen. Mirijam zitterte am ganzen Körper. Mit fliegenden Händen gab sie Cadidja die Kräuter, damit diese daraus auf der Feuerstelle vor der Hütte einen Tee zubereitete.
    » Junger Freund.« Die Stimme des alten Gelehrten war kaum hörbar.
    Cornelisz beugte sich näher zu ihm.
    » Junger Freund, vor unserem Aufbruch sagtet Ihr, Ihr würdet mir die Vorwürfe des sa’adischen marabouts, die jener gegen mich erhoben hat, erläutern.«
    » Abu!« Mirijam fuhr herum und starrte den Hakim an. Dessen Blicke aber hingen erwartungsvoll an Cornelisz’ Lippen. Anstatt sich um seine Gesundheit, um ihre Sorgen oder um ihre bedrückende Lage zu kümmern, interessierten ihn ausgerechnet jetzt die Gedanken eines wildfremden Heiligen? Aus Erfahrung wusste Mirijam jedoch, dass sich ihr Abu aufregen würde, sollte sie Cornelisz von ihm fernhalten wollen. Aufregung aber war gewiss schädlich für ihn, was er brauchte, war Ruhe. Und wenn dazu die Befriedigung seiner Neugier diente, dann war es eben so. Fragend schaute Cornelisz zu Mirijam hinüber, während er sich die Worte zurechtlegte, und erst, als sie zustimmend nickte, begann er.
    » Was ich Euch hierzu mitteilen muss, bedaure ich sehr, Sherif Alî. Es wird Euch missfallen, das weiß ich, und auch mir gefällt es nicht. Um es kurz zu machen: Sîdi Mokhbar, der marabout, hat hochoffiziell entschieden, dass Studien wie die Euren, namentlich Mineralogie, Alchemie, fremde Sprachen und allgemein fremdes Wissen – sogar die Sternenkunde zählt er dazu! –, nicht gottgefällig seien. Ihr müsst ein böser Dschinn , wenn nicht gar ein Teufel sein, erklärte er. Ich selbst hörte ihn dies sagen, als ich einmal eine seiner Predigten heimlich belauschte.«
    Der Alte schwieg. Er hielt seine Augen geschlossen. Hörte er überhaupt zu? Cornelisz wartete einen Moment, bevor er fortfuhr.
    » Leider kommt es noch schlimmer. Denn die von dem marabout aufgehetzten Sa’adier gehen mittlerweile davon aus, dass Ihr zwar das Glaubensbekenntnis gesprochen haben mögt, Mohammed und den wahren Glauben des Islam in Wahrheit jedoch lediglich als Tarnung verwendet. Jedes Mal, sagte der marabout, jedes Mal, wenn Ihr Euch im Gebet gen Mekka verneigt, lästert Ihr den Propheten und Allahs heiliges Wort. Ihr beschmutzt den Koran, sobald Ihr ihn nur anseht!«
    Mirijam beobachtete besorgt, was diese Anklage anrichten würde. Der Sherif war zum Islam konvertiert, und viele bezeichneten derartige ehemalige Christen als Renegaten, doch was den Abu anging, war das eine unerhörte Anklage. Wie ungerecht diesem Mann gegenüber, der den

Weitere Kostenlose Bücher