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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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zu den anderen. Gründlich suchte er die Stelle weiträumig ab, damit ihm keine einzige Münze entging. Schließlich untersuchte er noch den Spülsaum des Strandes, und sieben weitere der glänzenden Goldstücke belohnten seine Mühe. Was für ein ganz und gar unglaubliches, wundervolles Häufchen Treibgut! Incrível! Wohl an die hundert Goldmünzen mochten es sein, die er schließlich um sich herum ausbreitete.
    Miguel ließ sich in den Sand sinken und nahm sich die kleine Holztonne noch einmal vor. Ein dichter Wachstuchbeutel, nein, wohl eher eine Schweineblase, mit der das Fässchen innen ausgekleidet war, hatte seine Schwimmeigenschaften verbessert. Deshalb also war es trotz des Gewichts nicht untergegangen und vom starken Wellengang an Land gespült worden. Er sollte für da Palhas Seele beten und in der ersten erreichbaren Kirche eine Kerze für ihn anzünden – das hatte der Kapitän sich verdient, trotz allem. So viel Geld … Was man damit alles anstellen konnte! Zum Beispiel eine Anzahlung auf ein eigenes Schiff leisten, oder eine Schanklizenz kaufen und eine Wirtschaft in irgendeinem Hafen eröffnen. Ach, eine Menge war möglich mit so viel Gold! Und das Beste an der ganzen Sache: Niemand würde es jemals vermissen oder Anspruch darauf erheben, nicht nach einer solchen Tragödie. Es war herrenlos, Strandgut eben. Und so etwas gehörte seit altersher dem Finder.
    Während Miguel versuchte, sich an den wundervollen Gedanken des plötzlichen Reichtums zu gewöhnen, segelte vor seinem inneren Auge bereits eine stolze Brigantine unter vollen Segeln über die Meere. Wie ihre Segel leuchteten, wie sie über die Wellen sauste … Sein Herz machte einen Satz. Ein eigenes Schiff!
    Mit einem entschlossenen Ruck trennte Miguel einen der weiten Ärmel seines Hemdes ab, füllte die Münzen hinein, knotete beide Enden zu, und stopfte den Sack unter sein Hemd. Der festgezogene Leibriemen verhinderte, dass er ihm in die Hose rutschte. Nun sah sein Bauch zwar aus wie der feiste Wanst eines Gastwirtes, doch das störte ihn nicht. Die Münzen wurden noch ein wenig zu den Seiten hin verteilt, bis alles schön gleichmäßig saß, dann war er zufrieden. Immer wieder strich er liebevoll darüber. Ein herrliches Gefühl.
    Noch nie, überlegte Miguel, war ihm ein auch nur annähernd vergleichbares Glück zuteilgeworden. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet da Palha dafür sorgte! Jedenfalls würde er dieses Glück nicht vertun, não, Senhor, nunca na vida, nie im Leben. Er würde es zu nutzen wissen.
    Mit einem Stein zertrümmerte Miguel sorgfältig Deckel und Boden der kleinen Tonne sowie die Dauben in möglichst kleine Teile. Größere Stücke zerbrach er über dem Knie. Schließlich verstreute er Hölzchen für Hölzchen zwischen den Felsen und Steinen und verwischte anschließend die restlichen Spuren. So, nun konnte ihm niemand etwas nachweisen. Jetzt musste er nur noch nach Hause zurück oder wenigstens in die von Menschen besiedelte Welt, dann stand einer goldenen Zukunft nichts mehr im Wege. Er grinste über die sinnige Wortwahl: goldene Zukunft. Wieder strich er über seinen dicken Bauch. Eigentlich fehlte ihm zu seinem Glück nur noch ein Gläschen Branntwein, dachte er, oder zumindest ein ordentlicher Schluck aus einem Wasserfass.
    Erneut machte er sich an den Aufstieg über die Klippen. Erstens wollte er in die benachbarten Buchten blicken können, wohin sich vielleicht doch ein paar Männer der San Pietro gerettet hatten, und zweitens brauchte er Wasser. Oben angekommen, bahnte er sich den Weg so nahe wie möglich an der Abruchkante entlang durch dichtes Gestrüpp. Immer wieder kroch er an die Kante heran und spähte zum Strand hinunter. Nichts, kein Mensch weit und breit, nur Äste, Baumstämme und halb verrottetes, angeschwemmtes Treibgut zwischen den Steinen. Leider fand er auch nirgends die Spur eines Baches.
    Plötzlich aber, in einer der nächsten Buchten, entdeckte er einen reglosen Körper und ein paar Möwen, die daran herumpickten. Der Mann war tot. Welcher von den Männern war das? Man sollte ihn jedenfalls begraben, überlegte er, keiner auf Erden hatte es verdient, von Möwen oder anderen Aasfressern zerrupft zu werden. Miguel wartete eine Weile, um Kräfte zu sammeln, dann stieg er hinab.
    Der Tote lag auf dem Rücken, den Kopf zur Seite gedreht. Es war der Kaufmann aus Antwerpen, Cornelisz’ Vater, der an diesem Strand der Berberküste seinen letzten Ankerplatz gefunden hatte. » Herr, gib ihm die

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