Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Übergriffen des osmanischen Paschas konnten sie nicht finden. Sheïk Abdallah schätzte die Gefahr weiterer osmanischer Überfälle hoch ein, daher lag ihm viel an einem dauerhaften Abkommen mit den Spaniern. Aus diesem Grund hatte sich nicht nur er, sondern auch Sultan Muhammad dafür ausgesprochen, zu Gunsten Spaniens auf die Hälfte der Zölle und Steuern, die der Hafen einbrachte, zu verzichten. Die Einnahmen sollten geteilt werden, solange Hafen und Stadt zugänglich blieben, so lautete das Angebot an die Spanier, auf das sich die Berater des Sultans nach langwierigen Beratungen letzten Endes verständigt hatten.
Je gründlicher Saïd darüber nachdachte, desto besser gefiel auch ihm dieser Gedanke. Er zielte auf einen anhaltenden Frieden im Land und zugleich auf freien Zugang und Nutzung des Hafens von Melilla. Sichere Häfen waren Voraussetzung für den Karawanenhandel, und an ihm lag es, dieses Ziel zu erreichen.
Saïd wandte sich um. Hamid fror jämmerlich, obwohl er sich so tief in seinen warmen Burnus vergraben hatte, dass man nur Nase und Augen von ihm sehen konnte. Hinter dem schwarzen Hünen ritten die Bewaffneten, und in ihrer Mitte der alte Schreiber Amron, der spanische Händler sowie Azîza mit ihrer Dienerin.
Die Schwester hatte so lange auf ihn eingeredet, bis er schließlich zugestimmt hatte, sie nach Melilla mitzunehmen. » Lieber Bruder, weißt du, wie es ist, monatelang nur einen zögerlichen Onkel und eine ängstliche Tante zur Gesellschaft zu haben? Ich platze, wenn ich nicht bald etwas anderes sehe, oder jemand anderes. Du weißt schon …« Bei den letzten Worten hatte sie verschwörerisch die Stimme gesenkt.
Sarah! Wieder schlug sein Herz rascher. In Gedanken begleitete ihn die Frau mit den blauen Augen nun schon seit mehr als einem Jahr, mal ganz gegenwärtig, dann wieder weniger greifbar. Seitdem aber Juan erstmals von ihr gesprochen hatte, musste er noch viel öfter an sie denken.
Wie die beiden wohl zueinander standen? Das würde Azîza im Laufe der Reise sicher herausfinden, auch, was Sarah nach Melilla verschlagen hatte und wo sich der venezianische Vater ihres Kindes aufhielt. Über ihn hatte Juan bisher noch kein Wort verloren.
Natürlich war es ein Fehler, sich mit schmerzhaften Gedanken und unbeantwortbaren Fragen zu quälen, viel klüger wäre es, sich auf seine Aufgabe vorzubereiten! Dennoch hatte Saïd den Beutel aus Timbuktu hervorgeholt. Jetzt schmiegte sich das Leder wieder an seine Brust, und das Gewicht der Perlen fühlte sich vertraut und tröstlich an.
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Als Mann der Wüste liebte er eigentlich Regenwetter. Doch auch Saïd atmete auf, als sie endlich nach Tagen des Regens die Tore von Melilla passierten.
Juan geleitete sie zu einem funduk in der Nähe des Hafens und verabschiedete sich. Er wollte gleich morgen erneut aufbrechen. » Ich wäre stolz, Euch in der Stadt herumzuführen, oder was Euch sonst gefällt. Wenn ich wieder zurück bin, könnt Ihr jederzeit über mich verfügen«, bot er an, bevor er sie allein ließ.
Saïd wärmte die Hände über einer der Feuerschalen. Unterwegs hatte Azîza von dem Spanier erfahren, dass Sarah als Perlenstickerin im Haus von Slimane und dessen Familie lebte. So hatten die Andalusier also ebenfalls den Weg in diese Stadt gefunden? Allahs Wege waren gewunden …
Doch nun musste er sich wichtigeren Aufgaben zuwenden. Immerhin vertrauten der Sultan und die Sheïks auf ihn, und dieses Vertrauens wollte er sich würdig erweisen. Außerdem musste er auf spanischer Seite mit Unterhändlern rechnen, die seine Unerfahrenheit womöglich auszunutzen gedachten. Er straffte sich. Während seine Männer die Pferde versorgten, der Wirt die Küche beauftragte, den Neuankömmlingen ein Essen zuzubereiten, und Azîza sich mit ihrer Dienerin in den Frauengemächern einrichtete, bestellte er einen Schreiber zu sich.
Es würde vorteilhaft wirken, wenn er als Botschafter den spanischen Behörden unverzüglich und in angemessener Weise sein Eintreffen anzeigte. Spanier legten Wert auf repräsentatives Auftreten. Seine Kenntnisse der spanischen Sprache reichten zwar für Gespräche, vermutlich sogar für die kommenden Verhandlungen, nicht jedoch für ein formelles Schriftstück.
Tariq, den ihm der Wirt als erfahrenen Schreiber empfahl, brachte Saïds Worte in die gebotene Form. Amron prüfte das Schreiben und lobte Wortwahl und Schrift. Noch vor dem Mittagsgebet entsandte Saïd die beiden Gelehrten in Begleitung zweier seiner Männer in
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