Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
zwei Schritten durchquerte Saïd den Raum. Von hinten schlang er einen Arm um den Hals des Mannes, packte mit der anderen Hand dessen Schulter und stieß ihm zugleich das Knie in den Rücken. Der Mann brüllte einen Fluch und versuchte, seinen Ellenbogen in Saïds Leib zu rammen. Dabei ließ er Sarah los, drehte sich um und hob noch unter der Drehung die Fäuste. » Verschwinde! Was mischst du dich ein!«, donnerte er, dann schlug er auch schon zu. Im letzten Moment konnte Saïd ausweichen.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Sarah ans andere Ende des Raumes lief und Yasmîna das schreiende Kind abnahm. Sie barg es in ihren Armen.
» Lauft weg!«, rief Saïd ihr zu, gleichzeitig vergrößerte er den Abstand zu dem Mann. Der setzte ihm nach. Er war kleiner als Saïd, aber stark und wendig.
Der Kampf kam völlig überraschend für Saïd, doch der Mann ließ ihm keine Wahl. Er schnaubte geradezu vor Wut, setzte ihm nach, griff erneut an … Und dieses Mal erwischte er ihn. Seine Faust prallte so hart und schmerzhaft gegen Saïds linke Schulter, dass dieser den Arm nicht mehr heben konnte. Kraftlos, als gehöre er nicht zu seinem Körper, hing er an der Seite herunter.
Hamid schob Yasmîna beiseite und eilte ihm zu Hilfe. Doch bevor er eingreifen konnte, drang Saïd mit der geballten Rechten auf den Mann ein. Wenn der Kerl es denn so haben wollte, dachte er voll Ingrimm, und holte aus.
Sein kraftvoller Schlag wurde noch dadurch verstärkt, dass der Mann in diesem Moment einen Schritt auf ihn zu machte. Mit Wucht traf Saïds Faust ihn auf Mund und Nase, so dass der Kopf in den Nacken gerissen wurde und der Mann ins Straucheln kam. Bevor er zu Boden gehen konnte, war Hamid hinter ihm, fing ihn auf und umklammerte seine Arme. Ein unnötiger Schritt, denn den Mann hatte offensichtlich jegliche Angriffslust verlassen, der Kopf sank ihm auf die Brust, und Blut rann über sein Kinn.
» Was soll mit ihm geschehen, Sîdi?« Hamid sah seinen Herr an.
Saïd atmete heftig und hielt seine Schulter. Er antwortete nicht, seine Blicke gingen zu Sarah, dann zu Yasmîna. Sarah presste das Kind an sich. Sie stand in der hintersten Ecke des Zimmers und starrte ihn an. Ihre Lippen bewegten sich, doch kein Laut war zu vernehmen.
» Ich glaube, er kam mit einem der Schiffe aus Genua«, flüsterte die Dienerin schließlich, als der Schreck von ihr gewichen war.
» Bring ihn zum Hafen und lass ihn dort laufen«, bestimmte der junge Berber. » Dann komm wieder her.«
Der Schwarze nickte und schob den benommenen Mann zur Tür hinaus.
Saïd trat zu Sarah. Vorsichtig bewegte er seine Schulter. » Es ist überstanden«, sagte er, » du kannst beruhigt sein. Er ist fort. Bist du verletzt? Was wollte der Mann?«
Diese Stimme … Er trug keinen Gesichtsschleier. Sarah forschte in seinen Zügen – er war es wirklich! Saïd! Er war gekommen …
Sie wiegte Margali, die den Kopf an ihrem Hals barg und den Daumen in den Mund schob. » Nein«, sagte sie schließlich, » ich bin nicht verletzt«, sagte sie, ohne das Beben in ihrer Stimme verbergen zu können. » Er wollte Geld. Aber du, was tust du hier?«
» Al hamdullillah , das ist jetzt nicht wichtig.« Er sah sie aus nachdenklichen Augen an, dunkel in klarem Weiß . W ie Datteln in Milch.
Sie merkte, wie sie errötete. » Hat Marino dir etwas angetan?«
» Bei Allah, dieser Mann war Marino? Der Venezianer? Aber er ist doch dein Ehemann.«
Sarah schüttelte den Kopf. Sie beugte sich tiefer über ihre Tochter. Saïd sollte nicht sehen, wie elend sie sich fühlte. Niemand sollte das sehen. Sie zitterte.
Marino hatte ihr erneut sein hässliches Gesicht gezeigt. Wie er die Hände nach dem Kind ausgestreckt hatte … In ihrem Kopf dröhnte es.
In aller Deutlichkeit erkannte sie plötzlich, was sie vorhin, als Marino auf einmal vor ihr stand, erstmals vage gespürt hatte: Es ging nicht allein um die Verantwortung für Margali, die sie zu tragen hatte, sondern auch um die Auswirkungen der begangenen Irrtümer und Verfehlungen auf ihr eigenes Leben. Was immer aus diesen Fehlern entstand, ob es gut oder schlecht für sie war, sie hatte es selbst ausgelöst. Auf immer würde ihr Leben davon geprägt sein, ebenso das ihrer Tochter.
Saïds Blick lag auf ihr. Sarah spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und sie neigte sich noch tiefer über Margali. Hatte sie ihm damals nicht von ihrer Seelenverwandtschaft mit Marino erzählt? Und wie sah es nun aus? Wie sollte sie überhaupt jemandem dieses
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