Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
drei Mädchen marschierten heraus. Eine war Kristin, ein blasses Mädchen mit pechschwarzen Locken, deren Make-up immer aussah wie bei einem Kind, das einen Koffer mit Theaterschminke in die Hände bekommen hatte. Die Namen der anderen beiden wusste er nicht. Sie gehörten zu Julys Clique. Ihre Blicke funkelten in einer Mischung aus Arroganz und Abscheu und er wünschte sie allesamt ans Ende der Welt. Zweifellos hielten sie ihn für ein herzloses Arschloch. Sollten sie. Er wollte keine von ihnen heiraten.
    Higgins schob Ken vor sich her in den Raum. Die Sekretärin machte eine Handbewegung zur zweiten Tür. »Gehen Sie einfach durch, sie wartet schon.«
    Mrs Prescotts Büro verströmte die Atmosphäre einer vergangenen Ära. Viktorianische Walnussholz-Schränke säumten die Wände. Hinter ihrem Schreibtisch hing ein Blumenstillleben in einem schweren Goldrahmen. Und ihr wuchtiger Schreibtisch mit der Lederauflage roch nach Akten und Möbelpolitur. Prescott saß in ihrem dunkelblauen Kostüm auf der anderen Seite wie das Verhängnis persönlich.
    »Machen Sie die Tür zu«, befahl sie Higgins.
    Waren die Blicke, die sie ihm heute Morgen nach dem Verhör zugeschossen hatte, giftig gewesen, so leuchtete nun purer Mord darin – und ein Hauch grimmige Befriedigung, den Ken sich nicht erklären konnte.
    »An der Casa Richard Academy haben wir Regeln«, eröffnete sie in schneidendem Ton, »die dazu dienen, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten und unseren Schülern ein professionelles Lernklima zu bieten. Ist Ihnen das bewusst, Mr O’Neill?«
    Es war ein schlechtes Zeichen, dass sie ihn so förmlich ansprach. Ein ganz schlechtes Zeichen.
    »Ja Ma’am«, erwiderte er steif. Nur noch fünf Monate. Fünf Monate, das würde sein Stolz wohl verkraften.
    »Und sind Sie vielleicht der Meinung, diese Regeln gelten nicht für Sie?«
    »Doch, Ma’am.«
    »Warum brechen Sie sie dann?«
    »Ich –« Er verstummte. Was sollte er darauf erwidern? Er wusste ja nicht einmal, was sie ihm zur Last legte.
    »Ich habe gerade ein Mädchen nach Hause geschickt, das vor meinem Schreibtisch einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, weil sie von Ihnen bestohlen worden ist.«
    Die letzte Hälfte des Satzes hing im Raum wie ein scharf geschliffenes Schwert. Ken war so verblüfft, dass ihm die Silben in der Kehle stecken blieben.
    Mrs Prescott stützte die Handflächen auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. »Sie müssen es nicht abstreiten, Mr O’Neill. Es gibt zwei Zeugen. Die Mädchen haben gesehen, wie Sie in July Allisons Tasche gewühlt haben. Und etwas später war ihre Brieftasche verschwunden.«
    »Was?« Er wusste nicht, ob er lachen sollte. Das war die dümmste Beschuldigung, die er je gehört hatte. Er sollte Julys Brieftasche geklaut haben? »Das ist Unsinn.«
    »Ich habe daraufhin den Hausmeister gebeten, Ihren Spind zu öffnen.« Ihre Stimme schwoll an. »Was zum Himmel haben Sie sich dabei gedacht?! Sie müssen den Verstand verloren haben!«
    »Meinen Spind?« Er fühlte sich wie losgelöst von seinem Körper, als wäre es nicht wirklich er, dem das geschah. »Was soll das heißen?«

    »Er ist ein halbes Kind, das Thesen nachplappert, die es nicht versteht!«, wütete Marielle. »Er hat keine Ahnung vom Leben. Das ist das erste Mal, dass sie ihn überhaupt aus seiner Stadt herauslassen. Kannst du dir das vorstellen, Nessa? Er hat noch nie zuvor die Grenzen von Tír na Avalâín überschritten!«
    Nessas Maunzen bedeutete ungefähr so viel wie Santinos
Jaja,
wenn er anderer Meinung war, aber keine Lust hatte, mit ihr zu streiten.
    »Wieso muss ich einen grünen Jungen heiraten, der aussieht wie Hefeteig und der mir noch dazu ins Gesicht sagt, ich sei von minderwertigem Blut?«
    Geringblütig,
korrigierte Nessa.
Nicht minderwertig.
    Marielle schoss ihr einen zornigen Blick zu. Die Purpurkatze räkelte sich auf dem Bett und hakte ihre Krallen ins Seidenlaken.
    Es klopfte an Marielles Tür, doch sie ignorierte es. Sie hatte jetzt keine Nerven für höfliche Konversation. Als dennoch die Tür aufflog, fuhr sie herum wie eine Furie, um den Eindringling sofort wieder hinauszuwerfen. Und schluckte die Beschimpfung rasch herunter, als sich die kantige Gestalt König Eoghans aus den Schatten löste.
    »Vater«, presste sie hervor.
    Bevor er den Thron bestieg, war Eoghan ein Krieger gewesen, einer, der viele Jahre an fremden Gestaden gekämpft hatte. Das sah man ihm immer noch an, obwohl sich Marielle nicht erinnern konnte, ihn jemals

Weitere Kostenlose Bücher