Purpurfalter
verändert. König Wor wendet sich von den Menschen, seinem Volk und selbst von mir ab.“
„Erinnere ihn an seine Wurzeln.“
„Lomas ist nicht der große Kriegsheld, den alle erwarteten.“
„Er ist schlau und weniger ein Mann des Schwertes. Gib ihm Zeit.“
„Graf Schomul entzieht mir seine Gunst. Somit gerät Ingrimm in Gefahr.“
„Umschmeichele ihn.“
„Und Mogall? Er dreht sich wie ein Fähnchen im Wind. Kaum dachte ich, ihn durchschaut zu haben, zeigt er mir eine fremde Seite an sich.“
Gamtam schlug mit ihrem Stock gegen die Fensterbank. „Geduld ist eine Tugend. Erwarte keine Veränderung über Nacht. Beharrlichkeit zahlt sich aus. Halte durch und...“
„... alles wird gut?“ Ungläubig schüttelte Loreena das Haupt. „Nein, der heutige Ball ist eine Hinrichtung. Ingrimm wird geköpft, indem der König vom Volk getrennt wird. Graf Schomul zeigt der südlichen Krisis, dass die Vampire von nun an das Reich regieren werden. Die Frage ist nur, in welcher Form er das machen wird. Ich ahne Schreckliches.“
Mit hängenden Schultern schritt Loreena den Korridor entlang. An der Tür zum Hof schaute sie zu Gamtam zurück, als wollte sie sich verabschieden. Sie rückte mit den Fingern ihre Hochsteckfrisur zurecht, strich über die rabenschwarze Robe, die sie nach dem Tod ihrer Mutter getragen hatte. Schweren Herzens setzte sie einen Fuß über die Schwelle und überquerte zügig den Innenhof. Das Klacken ihrer Tanzschuhe begleitete sie. Sie zitterte vor Kälte. Fröstelnd schlang sie die Arme um den Körper.
„Ihr kommt spät“, hieß Bortlam sie an der Tür zum Ballsaal willkommen. Er machte eine einladende Geste, wodurch die Glöckchen an seinem burgunderroten Gewand erklangen.
Loreena trat ein. „Man hat mich wohl kaum vermisst.“ Sie dachte an das „B“ auf Amorgenes Siegelring. Heckte Bortlam einen Plan aus, um Graf Schomul zu schaden und war Amorgene seine Verbündete?
„Ihr irrt. Der König fragte bereits mehrmals nach Euch.“
Verdutzt blickte sie den fülligen Diener an. Nie hätte sie erwartet, dass ihre Abwesenheit Wor aufgefallen wäre. Seine Aufmerksamkeit galt stets der Vampirin. Vielleicht war er doch noch nicht verloren. Vielleicht.
Sie schaute sich im Saal um. Grüppchenweise standen Menschen und Vampire zusammen, doch niemals mischten sich die Bewohner der südlichen und östlichen Krisis. Sie tranken Wein oder Blut. Die Menschen bedienten sich am Büffet, das an der Fensterwand aufgebaut und so lang wie der Salon war. Ein Orchester spielte melancholische Lieder. Wenige Gäste tanzten. Die Atmosphäre war eisiger als die Nachtluft. Loreena erschauderte. Sie hätte sich wohl und sicher fühlen müssen, war dies doch ihr Heim. Stattdessen blieb sie unweit des Eingangs stehen und beäugte die Szenerie kritisch. Die Anspannung war fühlbar. Die Gäste lachten, sahen sich aber immer wieder misstrauisch um. Ihre Gesichter waren verbissen; ihre Augen zusammengekniffen. Es brauchte nur einen Funken, um ein Gefecht auszulösen - und Loreena besaß das Talent dazu, dieser Funke zu sein.
Sie drehte sich auf dem Fuße um. Nur fort von dieser Farce!
„Das nenne ich einen kurzen Besuch.“
Klavorn stand plötzlich vor ihr und hinderte sie daran, das Bankett zu verlassen. Freundlich lächelte er sie an. Er trug einen blauschwarzen Samtanzug mit Seidenrevers, über das er mit den Fingerspitzen strich.
Da sie nichts erwiderte, fuhr er leise fort: „Es wäre nicht von Vorteil, wenn Ihr bereits jetzt wieder gehen würdet.“
Loreena zuckte mit den Achseln. „Vielleicht ist es besser so. Ich scheine Ärger anzuziehen.“
„Ihr reizt lediglich gewisse Personen.“ Er zwinkerte.
„Diese Personen reizen mich.“ Pikiert reckte sie ihr Kinn in die Höhe, um es sofort wieder zu senken. Er hatte Recht. Eigentlich war Klavorn der Einzige, der sich ihr gegenüber stets höflich und zugänglich verhalten hatte. Seine ruhige Art schmeichelte ihr. Fast väterlich kümmerte er sich um sie. Ein Charakterzug, den sie an Wor vermisste.
„Kommt.“ Er reichte ihr seinen Arm. „Ich geleite Euch zu Eurem Vater und Eurem Bruder.“
Resignierend hakte sich Loreena bei ihm ein. Er führte sie an einigen Mitgliedern des Geheimbundes vorüber. Ein Blondschopf stach aus der Gruppe heraus. Böse funkelte Artin Loreena an, da sich die Tochter Wors erneut an der Seite eines Vampirs zeigte. Sicherlich stellte er ihre Loyalität in Frage und grübelte, ob die Entscheidung Lomas’ richtig gewesen
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