Purpurfalter
erwartet, dass er über Nacht zum Vampir werden würde. Aber er quälte sich durch die Tage und atmete nur bei Nacht ein wenig auf. Eine innere Unruhe trieb ihn täglich zu den großen Fenstern im Untergeschoss. Sehnsüchtig schaute er in die Ferne und konnte sich sein Verhalten selbst nicht erklären. Nichts erwartete ihn dort draußen. Niemand rief ihn. Doch an manchen Tagen war sich Loreena dessen nicht sicher. Vielleicht vernahm Wor den Ruf von Falkenhorst. Möglicherweise streckte Schomul seine Finger nach ihm aus.
Sie blieb an einem der großen Fenster stehen und blickte hinaus. Finsternis schluckte den Innenhof. Nicht einmal die gegenüberliegende Stalltür konnte Loreena erkennen. Keine einzige Fackel brannte. Der Mond zeigte sich nicht. Die Sterne versteckten sich hinter Regenwolken. Tropfen hämmerten gegen die Scheibe. Loreena legte eine Hand an das Glas, als könnte sie dadurch das Wasser auf ihren Handflächen spüren. Lediglich Kälte fühlte sie. Da sie durch und durch eine Tochter der südlichen Krisis war, sehnte sie sich nach Sommersonne, nach dem Duft von Tulpen und Narzissen und dem Summen der Bienen. In diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr als die Wärme.
Außerdem wird die Sonne die Vampire auf die Nacht einschränken, jubelte sie innerlich.
„Ihr solltet mit Eurem Vater sprechen.“
Loreena flog herum und schaute unmittelbar in Schomuls Augen. Vehement versuchte sie ihren Blick loszureißen. Sie war ihm ohne den Schutz ausgeliefert. Ihr Rücken drückte sich gegen die Fensterbank. Kälte zog über ihr Kreuz bis zum Hintern. Der wohlbekannte Opiumduft nebelte sie ein. Er strömte vom Grafen aus wie ein Aphrodisiakum. Am liebsten wäre sie fortgelaufen, aber sein vampirisches Charisma bannte sie.
„Ingrimm reitet ab heute unter der Flagge von Valkenhorst. König Wor sollte dies akzeptieren und es dem Volk vermitteln. Sonst gibt es bald ein böses Erwachen für Euch.“
„Wollt Ihr uns drohen?“ Es machte sie unruhig, mit ihm alleine zu sein. „Die Veränderungen kamen über Nacht. Es dauert, bis sie verdaut sind.“
„Euer Vater bemüht sich nicht sonderlich, ein Vorbild für sein Heer zu sein. Ihr müsst ihn an die Vereinbarung erinnern, bevor ich meinen Teil ebenfalls vergesse. Beim Kampf gegen Frostlande und Wahnstein habe ich dem Heer noch gewährt, die Flagge Ingrimms auf dem Schlachtfeld zu tragen. Dieses Eingeständnis ist einmalig.“
„Graf Schomul, bitte. Mein Vater verneigt sich tief vor Euch. Unser Volk sieht das nicht gerne. Wie soll er gleichzeitig sich Eurem Willen unterwerfen und sein Ansehen behalten? Zwiespältig ist die Situation. Sie erfordert großes Fingerspitzengefühl.“
Der Graf fuhr ihr mit den Fingern durch das verklebte Haar. „Ihr solltet Euch die Haare waschen, bevor ihr ins Bett geht.“ Seine Hand streifte ihr Ohr. Zärtlich knetet er ihre Ohrmuschel. „Zwiespalt kenne ich nur zu gut. Valkenhorst kann nicht nachvollziehen, weshalb Ingrimm nicht bereits unterjocht ist. Die Vampire verlangen den Tod des Königs. Ich jedoch lasse zu, dass er einer von uns wird. Was meint Ihr geht in meinem Land vor sich? Es brodelt wie in Eurem Reich. Ihr redet von Zwiespalt und Fingerspitzengefühl. Anstatt eigennützig zu sein, solltet Ihr Weitsicht üben. Nicht nur König Wor macht einen Drahtseilakt.“
Verzaubert durch seine Liebkosungen und die gesäuselten Worte fühlte sie sich zurückversetzt in den berauschenden Zustand, den der Alkohol hervorgerufen hatte. Nur mit größter Mühe konnte sie ihre Gedanken ordnen. „Ihr habt Recht. Es tut mir Leid.“
„Wor muss sich mir unterordnen.“ Seine Fingerspitzen glitten von der Ohrmuschel hinunter zu ihrem Hals. Mit sanftem Druck presste er seinen Zeigefinger auf ihre Halsschlagader.
Loreena spürte das Pumpen ihres Blutes und wusste, dass er es auch fühlte. Mit einem Mal fürchtete sie sich. Konnte Schomul dem Rauschen ihres Blutes widerstehen? Flehend blickte sie ihn an, wagte jedoch nicht zu sprechen. Sie fragte sich, ob er sie nur betörte, damit sie Einfluss auf ihren Vater nahm, ihn zur Unterwerfung überredete oder...
Sie umfasste das Handgelenk des Grafen und versuchte seine Hand von ihrem Hals zu entfernen. „Das solltet Ihr besser lassen.“ Sein lasziver Blick verwirrte sie. Wollte sie überhaupt, dass er von ihr abließ? Sie erschauderte wohlig bei der Erinnerung an seine Liebkosungen neben Wors Krankenbett.
„Weshalb?“ Mit der freien Hand löste er ihren Griff und führte den Arm
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