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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Er erkundigte sich, ob es in Ordnung gehe, daß er Frau Collin, mit der Brodka neulich bei ihm gewesen sei, Fotos von der Vernissage geschickt habe. Frau Collin habe aus Rom angerufen und um Abzüge der Bilder gebeten. Er habe keinen Grund gesehen, ihr die Bitte abzuschlagen, und ihr die Fotos geschickt.
    Brodka war verwirrt. Juliette in Rom? Und was wollte sie mit Hagens Fotos?
    Die unerwartete Nachricht rief bei Brodka ein ungutes Gefühl hervor. Doch Hagen gegenüber wollte er sich keine Blöße geben. »Nein, nein«, meinte er, »das ist schon in Ordnung. Schließlich sind es Ihre Fotos. An welche Adresse haben Sie die Bilder geschickt?«
    »Warten Sie.« Brodka hörte am Telefon, wie Hagen in seinen Unterlagen blätterte. »Ah, ja. Hier haben wir's. Hotel Excelsior, Via Véneto, Rom.«
    Brodka bedankte sich. »Melden Sie sich, wenn ich Ihnen mal einen Gefallen tun kann, Herr Kollege.«
    Er hätte es wissen müssen. Juliette war nicht die Frau, die sich ergeben und ohne Widerstand in ihr Schicksal fügte. Doch sie setzte sich einer großen Gefahr aus. Brodka war von Anfang an der Überzeugung gewesen, daß die Fälscher-Intrige nicht Juliette treffen sollte, sondern ihn.
    Er griff zum Hörer, um Juliette anzurufen und sie zu warnen, entschloß sich dann aber, die nächste Maschine nach Rom zu nehmen. Denn am Telefon würde er Juliette kaum zur Rückkehr bewegen können.
    Flug LH 3538 startete in München mit zwanzigminütiger Verspätung gegen 19 Uhr 35. Die Maschine, eine Boeing 737-500, quälte sich schlingernd und schaukelnd über die Alpen, und Brodka war froh, als er neunzig Minuten später in Rom Fiumicino landete.
    Trotz der späten Stunde herrschten noch milde Temperaturen. Der Taxifahrer hatte in etwa dasselbe Alter wie sein fahrbarer Untersatz – beide stammten aus den siebziger Jahren –, doch er sah darin keinen Hinderungsgrund, den Fiat mit atemberaubender Geschwindigkeit durch den Verkehr in die Innenstadt zu jagen. Die Fahrt zum Hotel in der Via Véneto dauerte keine 45 Minuten.
    Natürlich hatte Brodka sich die Frage gestellt, wie Juliette auf sein Erscheinen reagieren würde. Sie hatte ihn im Zorn verlassen, und wenn er ehrlich war, hatte sie gute Gründe gehabt. Wie er und Collin sich ihr gegenüber verhalten hatten, war nicht gerade ein Ruhmesblatt. Dieser gottverdammte Alkohol! In halbwegs nüchternem Zustand wäre es Brodka nie eingefallen, um Juliette zu würfeln.
    Beim Portier des Hotel Excelsior erkundigte er sich nach dem Zimmer von Juliette Collin; er sei der Ehemann der Signora.
    Ein Zehntausendlireschein vertrieb das Mißtrauen im Blick des Bediensteten. Er nannte die Zimmernummer 203 und fragte Brodka, ob er den Besuch ankündigen solle; die Signora sei auf dem Zimmer.
    Brodka verneinte und nahm linker Hand den Lift nach oben.
    Es war gegen 22 Uhr 30, als Brodka zaghaft an die Tür von Zimmer 203 klopfte.
    Sein Klopfen wurde lauter, als er keine Reaktion vernahm. Endlich hörte er Juliettes Stimme: »Wer ist da?«
    »Brodka.«
    Schweigen, schier endlos.
    Dann Juliettes Stimme: »Was willst du?«
    »Mit dir reden. Bitte, mach auf!« Brodka begann erneut zu klopfen, diesmal ziemlich heftig.
    Endlich öffnete Juliette die Tür einen Spalt. Sie hatte sich ein Badetuch um den Körper geschlungen und schaute ihn mit großen Augen an. Sie war verlegen.
    »Willst du mich nicht reinlassen?« fragte Brodka leise. »Ich möchte mich entschuldigen.«
    Juliette schüttelte den Kopf, preßte die Lippen zusammen. Brodka kannte sie nur zu gut; er wußte, daß dies ein Zeichen großer Anspannung war.
    »Wir müssen dringend miteinander reden«, sagte Brodka und drückte die Tür ein bißchen weiter auf. »Es ist wichtig.«
    In diesem Augenblick tauchte hinter Juliette ein Mann auf. Er war nackt und hatte langes, im Nacken zusammengebundenes Haar. »Was will er?« fragte er Juliette mit deutlichem italienischem Akzent.
    Brodka und Juliette blickten sich schweigend an. Dann sagte Brodka: »Ach so ist das.« In seiner Stimme lag tiefe Enttäuschung. Er ließ den Kopf hängen, wollte sich umdrehen und gehen.
    »Augenblick, Brodka«, sagte Juliette. »Wir sollten miteinander reden. Bitte, warte unten im Foyer auf mich.«
    Ohne eine Antwort wandte Brodka sich um und ging über den langen Korridor zum Lift. In seinem Inneren tobten Wut und Enttäuschung. Was gibt es da noch zu bereden, dachte er. Die Situation war mehr als eindeutig. Ich hätte es wissen müssen. Eine Frau wie Juliette läßt man nicht

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