Pusteblume
auffallen würde, wenn auf dem Toast keine Butter war, und daß Lorcan trotzdem einen großartigen Spot machen würde, auch wenn er nicht an das Produkt glaubte. Doch auch als die Margarine aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren beschafft war, brach Shakespeare bei Lorcan durch.
»Zehnte Klappe. Und Lorcan…«
»Echte Butter?« deklamierte Lorcan, und es klang, als wollte er mit Macbeths Monolog fortfahren: »Ist das echte Butter, die ich vor mir erblicke? Das Buttermesser mir zugekehrt? Komm laß dich packen! Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer…«
»Schnitt, Schnitt!« rief Mikhail. »Lorcan, bitte…«
»Wer ist denn dieser Hampelmann?« Mr. Jackson suchte jemanden von der Werbeagentur, der sich der Situation annehmen könnte. »Sprechen Sie mit ihm«, bedrängte er den zuständigen Werbeleiter. »Mikhail und Jeremy kommen so nicht weiter.«
Lorcan amüsierte sich königlich. Jetzt war er hocherfreut zu sehen, daß der Typ von der Werbeagentur schnieke in seinem Anzug auf ihn zukam. Eine weitere Gelegenheit für seine Kapricen.
»Könnten Sie es ein bißchen mehr im Unterhaltungston sprechen?« schlug er vor. »Etwas lockerer.«
»Wer sind Sie denn?« fragte Lorcan herrisch, obwohl er bei seiner Ankunft allen vorgestellt worden war.
»Joe. Joe Roth.«
»Also gut, Joe Joe Roth, ich sage Ihnen jetzt mal was. Ich habe mehr Werbespots gedreht, als Sie heiße Frauen gefickt haben. Wenn Sie mir erzählen wollen, was ich zu tun habe, dann ist das so, als würden Sie Ihrer Großmutter beibringen, wie man einen Schwanz lutscht.«
Joe seufzte insgeheim. Auf so etwas hätte er verzichten können. Ihm ging alles mögliche im Kopf herum, unter anderem eine wichtige Präsentation für eine Firma, die Frühstücksflocken herstellte. Amme für einen verwöhnten Schauspieler zu spielen war nicht gerade seine Spezialität. Und er hatte das Casting für den Werbespot gar nicht gemacht. Den Spot hatte er von seinem Vorgänger übernommen, der bei Breen Helmsford rausgeflogen war. Aber letzten Endes war es doch seine Verantwortung.
Lorcan sah Joe provozierend an. Er suchte Streit. Hämisch überlegte er, ob er Joe zum Weinen bringen könnte – es war schon eine Weile her, daß er eine solche Chance hatte. Aber zu seinem Erstaunen wiederholte Joe einfach nur seine Aufforderung, daß Lorcan seinen Text freundlich und unprätentiös vortragen möchte. Das regte Lorcan auf. Wer war dieser Arsch mit seinem dicken Gehalt, einem hübschen Gesicht und dieser überraschenden Selbstbeherrschung?
Joe Roth war zäher, als Lorcan angenommen hatte. Lorcan mußte zu härteren Maßnahmen greifen. Um zu zeigen, wer hier das Sagen hatte, trug Lorcan seinen Text mit jeder Klappe noch übertriebener und exaltierter vor. Und als sie bei der zweiundzwanzigsten angekommen waren, nörgelte er einfach aus Bösartigkeit und weil er wußte, daß er in der Position war, es zu tun: »Warum mache ich das eigentlich hier?«
»Wegen des Honorars«, sagte Joe, ohne mit der Wimper zu zucken. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. Jetzt war er nicht mehr freundlich.
»Ich bin Künstler«, erklärte Lorcan hochmütig.
»Vielleicht liegt es daran«, sagte Joe trocken. »Wir wollten einen Schauspieler.«
Lorcan kniff die Augen zusammen.
Mandii und Vanessa stießen sich gegenseitig in die Rippen und sahen Joe an. Sexy.
»Okay. Auf ein neues«, rief der Regisseur. »Neuen Toast, Melissa! Klappe die dreiundzwanzigste, und Lorcan…«
»Echte Butter?« sagte Lorcan in genau dem richtigen Ton.
Endlich, dachten alle Anwesenden und atmeten erleichtert auf.
Lorcan nahm einen Bissen von dem Toast, lächelte mit einem Wolfsgrinsen in die Kamera und sagte mit derselben sanften, wohlklingenden Stimme: »Davon bekommt man einen Herzinfarkt.«
34
I st gut, Lorcan.« Mit einem freundlichen Lächeln trat Joe auf ihn zu. »Offensichtlich wollen Sie diesen Spot nicht drehen. Wir werden Sie also erlösen. Sie sind von dem Vertrag entbunden.«
Lorcan wollte schon etwas Verletzendes erwidern, aber Joe sprach forsch weiter: »Selbstverständlich werden Sie kein Honorar erhalten, und möglicherweise werden wir Ihnen die Kosten, die uns heute morgen hier entstanden sind, in Rechnung stellen.«
Als Lorcan ihn noch mit offenem Mund anstarrte, wandte Joe sich an die Anwesenden: »Es tut mir leid, daß wir bisher Ihre Zeit verschwendet haben. Bitte bleiben Sie noch, und wir versuchen, einen anderen Schauspieler zu bekommen. Jeremy, was meinst du?
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