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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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sich wie immer verhalten. Ihn einfach übersehen.
    Dann dachte sie an Fintan im Krankenhaus und kam sich vor wie John Malkovich in
Gefährliche Liebschaften. Ich habe es nicht unter Kontrolle,
sagte sie sich.
Ich habe es nicht unter Kontrolle.
Sie mußte es tun.
    Sie fing damit an, daß sie ihr aufreizendes Röckchen vor allen zeigte. O nein! Einen Moment überlegte sie, ob sie sich im Mantel an die Arbeit setzen sollte, aber widerstrebend mußte sie erkennen, daß das mehr Aufsehen erregen würde. Es kostete sie alle Mühe, den Mantel auszuziehen, erst den einen Ärmel, dann den anderen. Während sie wie wild um sich sah, ob alle Männer sich gegenseitig in die Rippen stießen und dumme Bemerkungen abließen, machte sie sich für den Gang durchs Büro bereit.
    Würde bewahren im Angesicht des Feindes, sagte sie sich. Stell dir Padraig Pearse vor dem Erschießungskommando vor, Johanna von Orleans auf dem Scheiterhaufen. Sie warf die Schultern zurück, hob den Kopf, widerstand dem Drang, sich den Rock zurechtzuziehen, und machte sich auf den Weg in seine Richtung.
    Stell Blickkontakt her! befahl sie sich im Kommandoton.
    Blickkontakt hergestellt.
    Lächeln!
    Sie lächelte.
    Gefühlvoll!
    Sie lächelte gefühlvoll.
    Nicht aufhören!
    Sie lächelte weiter.
    Sprich mit ihm! Gib dir Mühe!
    Mit einem Gefühl im Mund, als wäre ihre Zunge auf das Zehnfache ihrer normalen Größe geschwollen, sagte sie: »Guten Morgen, Joe.«
    Besser ging es nicht? Sehr bedauerlich! Dann mußt du wohl doch noch mit dem Po wackeln.
    Sie versuchte einen Hüftschwung, der aber unbeholfen und wenig anmutig ausfiel, als sie sich auf den Weg zu ihrem Schreibtisch machte und endlich mit dem Zirkus aufhören konnte.
    Zitternd setzte sie sich auf ihren Stuhl und wartete darauf, die Früchte ihrer Bemühungen ernten zu können. Mit ihrem aufreizenden Verhalten hatte sie ihm eine klare Einladung gegeben. Würde er darauf eingehen und zu ihr kommen, um sich mit ihr zu verabreden? Vielleicht nicht, mußte sie sich eingestehen, wenn ihm bisher nur ihre Unnahbarkeit gefallen hatte.
    Und dann war da noch der Angie-Faktor. Katherine hatte immer noch keine festen Beweise, daß Joe und Angie eine Beziehung hatten, aber falls es so war, wäre das schlecht für Katherine. Und für Fintan.
    Ihr Vormittag verging voller Unbehagen und besorgter Spekulationen, während sie Joe diskret beobachtete. Sie sah, wie er sich mit seinen langen, feingliedrigen Fingern durch die Haare fuhr, und hätte sie zu gern berührt. Es drängte sie, ihre Arme um seine schlanke Taille zu legen.
    Bis zum Mittag war er noch nicht bei ihr gewesen, also rüstete sie sich, lächelte ihn wieder an und sagte: »Schöne Mittagszeit.« Keiner würde sagen könne, Katherine Casey habe ihre Pflicht nicht getan!
    Den Nachmittag über wartete sie angespannt darauf, daß er zu ihr herüberkam. Sie beobachtete ihn die ganze Zeit, hatte ein Auge auf seinen Schreibtisch geheftet und sah, wie er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und am Telefon mit dem Gesprächspartner am anderen Ende lachte. Oder wie er mit einem Kollegen sprach und neue Ideen ins Spiel brachte. Oder wie er sich mit dem Kugelschreiber an die Zähne tippte und ganz in sich versunken schien. Es verursachte ein warmes, nervöses, erwartungsvolles Kribbeln in ihrem Bauch.
    Aber er war immer noch nicht an ihren Schreibtisch gekommen. Also lächelte sie ihm gegen fünf Uhr wieder zu, als Andeutung, daß sie bereit war, nach der Arbeit mit ihm in den Pub zu gehen. Aber er lächelte nur zurück, vorsichtig, und sagte auch nichts. Katherine fing an, sich zu ärgern, weil sie die ganze Arbeit machen mußte. Er leistete nicht gerade seinen Beitrag, dachte sie eingeschnappt. Oder kam ihr entgegen.
    Als der lange, lange Tag endlich zu Ende ging und Katherine ihre Sachen zusammenpackte, versuchte sie mit ihrer entschlossenen Haltung zum Ausdruck zu bringen:
Ich geh jetzt. Wirklich, ich gehe. Die letzte Gelegenheit für alle Joe Roths, sich mit einer Katherine Casey auf einen Drink zu verabreden.
Aber nichts passierte.
    Was konnte sie noch tun? fragte sie sich. Sie konnte ja nicht über ihn herfallen. Oder vor ihm eine Brust entblößen.
    Also war’s das jetzt. Sie war enttäuscht, aber auch erleichtert – und nicht völlig überrascht. Sie hatte schon vorher gemerkt, daß Joe Roth stur und hartnäckig sein konnte. Wenn man ihn einmal ordentlich zurückstieß, versuchte er es nicht ein zweites Mal.
    Wenigstens hatte sie sich bemüht. Vielleicht,

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