Pusteblume
Fintan sehr klarsichtig. »Und er hat dich in Ruhe gelassen, nachdem du es gesagt hast, oder?«
»Ja, aber bis dahin war er sehr aufdringlich«,
insistierte Katherine. »Er hat, er hat – immer mit mir gesprochen.«
»Wenn du dich mal hören könntest – du bist verrückt.«
»Und er hat mich mindestens viermal gefragt, ob ich mit ihm zum Mittagessen gehe.«
»Du machst es nur noch schlimmer für dich. Nicht mehr lange, und du bist so verschroben wie deine Mutter.
Alles ist ganz einfach – du entschuldigst dich bei ihm, dann fragst du ihn, ob er mit dir in den Pub kommt. Und wenn er nein sagt? Ein Nein hat noch keinen umgebracht.
Nun mach schon! Du weißt, daß du es selbst willst.«
Seine Augen blitzten vielsagend.
»Das stimmt überhaupt nicht.«
»Und ob. Ich kenne dich, du bist sehr störrisch. Du hättest ihm auch nicht zugelächelt, wenn du es nicht wirklich gewollt hättest. Ich bin nur der Auslöser.
Obwohl du dich pausenlos über mich beschwerst, erweise ich dir einen großen Dienst mit meiner Krankheit, Katherine Casey.«
Katherine fühlte sich sehr unbehaglich und fragte sich, ob er das ernst meinte.
»Ist es nicht ein Segen für dich und dein Liebesleben?« Fintan lachte.
»Wie kannst du so etwas sagen?« wehrte sich Katherine. »Du liegst völlig falsch. Ich habe gelächelt, damit du mir nicht mehr im Nacken sitzt.«
»Meinetwegen«, sagte Fintan fröhlich. »Wenn du es so sehen willst, dann sage ich dir jetzt, daß ich dir immer noch im Nacken sitze.«
Gab es denn keinen Ausweg? Katherine wollte sich herauswinden.
»Bitte, Katherine«, bedrängte Fintan sie, »du bist meine einzige Hoffnung. Die Chance, daß die weichherzige, duldsame Tara Butler diesen Ekeltypen Thomas verläßt, ist ja gleich null. Wenn man sich auf jemanden verlassen möchte, muß man Katherine Casey fragen, die enttäuscht einen nicht.«
Katherine richtete sich vor Stolz auf – bis ihr bewußt wurde, daß er sie nur tiefer in die Falle gelockt hatte.
»Du hast dich verändert«, seufzte sie. »Du bist sehr manipulativ geworden.«
»Aber du versuchst es?«
Was konnte sie darauf sagen? »Ja, meinetwegen.«
»Jetzt sieh mich mal genau an, Katherine«, sagte Fintan. »Du siehst vor dir einen Mann der Muße!« Bei dem Wort »Muße« hatte man eher ein Bild von lässigem Genuß vor Augen: David-Niven-Schnurrbärte, Zigarettenspitzen, Martinigläser, Motorboote, Cabrios.
Sie betrachtete Fintans ausgemergeltes Gesicht, seine geröteten Augen, sein spärliches Haar, das stündlich lichter wurde. Himmel! »Wie meinst du das?«
»Sie haben mich rausgesetzt!«
»Wer hat dich rausgesetzt?«
»Meine Chefin – was dachtest du denn? Dr. Singh? Dale Winton? Richard und Judy? Rikki Lake? Meine Güte«, sagte er plötzlich erstaunt, »meine Welt ist ganz schön geschrumpft.«
»Aber ich meine…«
»Es war Carmella. Höchstpersönlich. In scharfem Aufzug, kokainbenebelt.«
»Du meinst, sie ist extra ins Krankenhaus gekommen und hat dir, während du hier im Bett liegst, gekündigt? Warum? Kann einem gekündigt werden, weil man krank ist?«
»Sie war besorgt – hör dir das an –, daß ich ein falsches Bild von der Firma vermittle.
Plötzlich dämmerte es Katherine. »Sie glaubt, du hast Aids.«
Fintan nickte.
»Aber das ist doch so was von ungerecht«, protestierte Katherine. »Ich dachte, die Modebranche hätte eine offene Einstellung gegenüber Menschen mit Aids.«
»Vielleicht hat sie mir auch gekündigt, weil ich kein Aids habe«, sagte Fintan pikiert. »Ich weiß es nicht.«
Sein Mund war eine schmale Linie. Dann brach die Starre in seinem Gesicht, seine Unterlippe fing an zu zittern, und seine rot geränderten Augen füllten sich mit Tränen.
»Was wird denn aus mir?« schluchzte er. »Wie geht es weiter? Ich meine nicht nur das Geld.« Katherine war hilflos, sie wußte nicht, was sie sagen sollte. »Ich arbeite
seit acht Jahren für sie«, sagte Fintan erregt. »Ich dachte, wir seien Freunde. Sie hat immer gesagt, sie baue auf mich, und jetzt wirft sie mich einfach weg – nicht mehr
zu gebrauchen. Ich habe mir diese schreckliche Krankheit nie gewünscht, und ich liebe meine Arbeit. Ich bin so allein. Wenn ich Aids hätte, dann wären andere mit mir
in der gleichen Situation, und wir könnten uns über THelfer-Zellen unterhalten und Händchen halten und uns in den Arm nehmen und … und … eine Patchworkdecke machen!«
»Es gibt auch Gruppen für Menschen mit HodgkinSyndrom«, warf Katherine ein.
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