Pusteblume
will, daß ich Thomas verlasse. Er ist krank, er weiß nicht, was er sagt.«
»Ich bin mir da nicht so sicher«, meinte Ravi nachdenklich. »Ich hab da mal einen Dokumentarfilm gesehen über einen Mann, der mit seinem Schiff in einen Sturm gerät. Wochenlang treibt er auf dem Schiff umher, kriegt Frostbeulen an den Ohren, muß das Holz von seinem Schiff essen, wäre fast draufgegangen. Dann wird er von einem Fischerboot gerettet und krempelt danach sein Leben um. Er ist zu allen freundlich, verkauft sein Geschäft und lebt sein Leben in vollen Zügen. Und sagt, das solle jeder tun. Bei Fintan klingt das so ähnlich. Ein anderer, in einem Flugzeug, das gekidnappt wurde –«
»Nein, Ravi, bitte!« Tara war zutiefst enttäuscht. »Ich habe immer darauf vertraut, daß du wie ein Kind bist. Emotional unterentwickelt. Ich will nicht, daß du plötzlich Erkenntnisse hast. Du warst mein einziger dunkler Fleck in einer entsetzlich hellen und furchterregenden Welt.«
»Tut mir leid!«
»Du solltest mir sagen, daß Fintan übergeschnappt ist und ich ihn gar nicht beachten soll.«
»Wie du willst. Tara – Fintan ist übergeschnappt. Am besten, du beachtest ihn gar nicht.«
»Zu spät.«
»Ich weiß«, sagte Ravi. Er hatte eine Eingebung. »Du kannst Fintan belügen. Sag ihm, du hast Thomas verlassen, obwohl es nicht stimmt.«
»Daran habe ich schon gedacht. Aber er auch. Er hat gesagt, er wüßte, wenn ich lüge. Und er würde bei Thomas anrufen, wie die Fernsehgebührenleute. Er würde mich sogar überwachen lassen.«
»So ein Mist.« Ravi saugte geräuschvoll die Luft ein. »Ich hab’s! Du könntest Thomas verlassen und das Fintan erzählen, dann wartest du, bis Fintan wieder gesund ist, und gehst zu Thomas zurück.«
»Und wenn Thomas nicht auf mich warten würde?«
»Dann war es nicht die große Liebe«, sagte Ravi fröhlich. Das war doch sonnenklar. Sogar er konnte das sehen!
Tara hatte ein dumpfes, ahnungsvolles Gefühl in der Magengrube. Ravi sagte nicht das, was sie sich von ihm erhoffte. Gab es denn niemanden, der ihr zustimmte?
»Wenn das hier ein Film wäre«, sagte sie, »würde ich Thomas sofort verlassen. Es läge auf der Hand. Aber so einfach ist das nicht. Fintan ist mein bester Freund, ich will unbedingt, daß
es
ihm wieder bessergeht, und wenn nicht … Aber ich liebe Thomas eben auch.«
»Vielleicht brauchst du ihn ja nicht zu verlassen.« Ravi versuchte es mit einem neuen Vorschlag.
»Du hast recht«, sagte Tara aggressiv. »Ich brauche das nicht zu tun.«
»Ich meine, es gibt noch eine andere Lösung. Warum fragst du ihn nicht, ob er dich heiraten würde, so wie Fintan gesagt hat? Wenn Thomas ja sagt, bist du aus dem Schneider.«
Tara zuckte die Schultern.
»Frag doch Thomas einfach, was seine Absichten sind.«
Genau das wollte sie nicht tun. Sie hatte den Verdacht, daß sie wußte, was seine Absichten waren. Sie hatte das Gefühl, daß er keinerlei Absichten hatte. Seit dem Abend nach ihrem Geburtstag zweifelte sie kaum noch daran. Doch solange sie es nicht genau wußte, konnte sie die Augen davor verschließen.
Dennoch sagte ihr Gefühl ihr, daß die Krise unaufhaltsam nahte und daß sie an der Beziehung festhielt wie jemand, der sich mit den Fingerspitzen an eine Felswand klammerte. Es wäre so leicht, loszulassen, zu fallen. Vor Verzweiflung legte sie die Hände vors Gesicht. »Ich kann ihn nicht verlassen, Ravi«, flüsterte sie. »Die Beziehung muß halten.«
»Warum denn?« Ravi geriet in Panik. Frauen weinen zu sehen, machte ihn hilflos. Sie bemühte sich, die Tränen zu trocknen. »Vielleicht ist es nicht so schlimm, wenn sie nicht hält?« versuchte er sie zu trösten. »Er macht dich doch dauernd unglücklich, Tara.«
Als Tara die Hände von ihrem vor Entsetzen erstarrten Gesicht nahm, wußte Ravi plötzlich, was er sagen mußte. »Denk doch mal daran, wie glücklich du mit Alasdair warst.«
Alasdair!
Alasdair.
Ravi war stolz auf sich und seine rettende Idee, und Taras Erinnerungen an vergangene Zeiten wurden wach. Sie und Alasdair. Herr im Himmel!
»Alasdair war ein richtig netter Bursche«, sagte Ravi.
»Und dann hat er mich sitzengelassen und diese Schnepfe geheiratet.« Tara hatte die Zähne fest zusammengebissen.
»Er hat dir immer gesagt, wie toll er dich findet. Er hat mir gesagt, daß er dich toll findet. Ich mußte ihn meiden, wenn er zu unseren Büropartys kam, weil er immer von dir sprach.«
»Und dann hat er mich sitzengelassen und diese Schnepfe
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