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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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hatte sie Fintan schon Lebwohl gesagt. Jetzt hatte sie keinen mehr. Was könnte es jetzt noch schaden, wenn sie sich bei Joe Roth entschuldigte? Selbst wenn er ein Scheusal war, so war einer mehr oder weniger auch schon egal.
    Ein seltsamer Wagemut überkam sie. Die Abenteuerlust, die sie immer geleugnet und unterdrückt hatte. Letzten Endes war sie doch die Tochter ihrer Mutter, und das würde sich eines Tages zeigen.
    Das hinderte sie aber nicht daran, ein schrecklich flaues Gefühl im Magen zu haben, als sie am Freitagmorgen zur Arbeit ging. Und sie dachte, am Vortag sei sie nervös gewesen! Mit ihrem nicht gerade überschwenglichen Lächeln und einer Handvoll Wörter war das kaum mehr als eine wenig überzeugende Generalprobe gewesen. Jetzt ging es ums Ganze. Heute würde scharf geschossen. Es könnte Verletzte geben.
    Vor Angst wurde ihr schwindelig.
    Joe trug einen gutsitzenden Anzug von der Farbe dunkler Auberginen und ein blendendweißes Hemd. Er sah umwerfend aus.
    Katherine war sehr aufgeregt, aber sie wollte die Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Warten war noch schlimmer als Handeln. Von dem Moment an, als sie – endlich – ihren Mantel ausgezogen hatte, versuchte sie, mit Joe allein zu reden, damit nicht die halbe Belegschaft mithören würde, was sie zu sagen hatte. Das erwies sich jedoch als unmöglich. Joe war ein beschäftigter und beliebter Mann, der viele Besprechungen hatte, dauernd telefonierte und mit vielen Kollegen plauderte, die an seinem Schreibtisch haltmachten. Jedesmal, wenn er frei zu sein schien, hievte Katherine sich mit großer Anstrengung von ihrem Stuhl – da klingelte schon wieder sein Telefon, oder ein anderer Kollege trat an seinen Schreibtisch, und alle ihre Bemühungen waren umsonst gewesen. Sie arbeitete den ganzen Morgen nicht, ihre Frustration erreichte ein Stadium, wo sie am liebsten geschrien hätte, und ihre Adrenalinproduktion war außer Rand und Band.
    Mittags verließ er das Büro für ein Treffen mit Kunden, so daß sie zwei nervenraubende Stunden damit zubrachte, ihre Entschlossenheit nicht zu verlieren. Und als er um drei wieder zurückkam, wurde er den Nachmittag über ebenfalls von Anrufern und Kollegen in Beschlag genommen.
    Sie fühlte sich den Tränen nah. Sie war drauf und dran, den Versuch, Fintans Forderung zu erfüllen, fallenzulassen. Das ganze freigesetzte Adrenalin arbeitete gegen sie und machte sie mutlos und niedergeschlagen.
    Aber als sie um zwanzig vor vier von der Damentoilette kam, stand er in dem kleinen Glaskabuff, wo die Bindemaschine stand, und er war allein! Jetzt war der Zeitpunkt. Jetzt! Atemlos eilte sie den Korridor entlang, der ihr so lang wie die Serengeti breit schien, und hoffte, daß sie niemandem begegnete. All ihre Energie setzte sie dafür ein, daß keiner sich ihm näherte. Noch ging alles glatt. Er war allein. Oh, nein! Hinter sich hörte sie jemanden. Eine Frau, den Schuhen nach zu urteilen. Auch mit eiligen Schritten. Als Katherine das Glaskabuff erreichte, sah sie sich um. Es war Angie, natürlich, mit einem Stapel Papier im Arm.
    Joe sah Katherine unbeteiligt an. »Bin gerade fertig.« Er zeigte auf die Maschine. »Sie können dran.«
    Erschreckt stellte Katherine fest, daß sie keine Papiere in der Hand hielt, die sie hätte binden können. Und in dem Glaskabuff könne man nichts tun außer binden.
    Die beiden sahen auf ihre leeren Händen. Ihre Augen schienen sich daran festzusaugen, und Katherine hatte das Gefühl, daß ihre Hände immer größer wurden, so groß wie Teller.
    »Oh, jetzt habe ich…«, sagte Katherine kleinlaut, »… ich habe meinen Bericht vergessen.«
    Angie nickte und sah Katherine argwöhnisch an. »Klar.«
    »Mach du nur deins«, sagte Katherine zu Angie und ging zur Tür.
    »Ist in Ordnung«, sagte Angie. »Joe, kannst du mir zeigen, wie dieses Ding funktioniert?«
    Als Joe wieder an seinen Schreibtisch kam, war er überraschenderweise ganz ungestört. Aber Katherine nahm die Gelegenheit nicht wahr. Wozu? fragte sie sich. Wenn ich erst all meinen Mut zusammengenommen habe, kommt doch wieder jemand vorbei, und es war umsonst.
    Aber als sie ein paar Minuten später wieder zu ihm rüberblickte, war er immer noch allein und beschäftigte sich mit einigen Papieren.
    Und bevor sie sich aufhalten konnte, war sie aufgestanden und eilte – es kam ihr vor wie ein Alptraum – in ihrem winzigen Röckchen durch das Büro. Schon stand sie vor seinem Schreibtisch. Zitternd und zagend sah sie ihn an

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