Pusteblume
geheiratet«, wiederholte Tara tonlos.
»Wenigstens ist er zu unseren Büropartys gekommen. Im Gegensatz zu anderen.«
»Und dann hat er mich sitzengelassen und diese Schnepfe geheiratet.«
»Als du mit Alasdair zusammen warst, hast du nie Diät gehalten und so etwas.«
»Doch, habe ich wohl.«
»Nein, das hast du nicht. Du hast immer gegessen. Weißt du das nicht mehr? Jeden Montagmorgen hast du versucht, mich unglücklich zu machen, und mir erzählt, in welchem schicken Restaurant ihr am Sonntag zum Lunch wart.«
»Und dann hat er mich sitzengelassen und diese Schnepfe geheiratet.« Tara ließ nicht locker.
Aber sie war in Gedanken wieder in der Vergangenheit. In einer glänzenden, goldenen Vergangenheit. Ihre Zeit mit Alasdair schien ihr wie eine Wiese in weiter Ferne, die in Sonnenlicht gebadet dalag, während jetzt eine bleierne Wolke über ihr lag. Es stimmte, er hatte sie sitzengelassen und eine Schnepfe geheiratet, aber hatten sie nicht eine wunderbare Zeit zusammen gehabt? Verglichen mit dem Minenfeld, das das Zusammenleben mit Thomas war. Alasdair hätte ihr alles gegeben, was sie wollte, alles. Bevor er sie sitzengelassen und eine Schnepfe geheiratet hatte. Aber das war damals, und jetzt war sie hier. Ein Spatz in der Hand ist besser als zwei, die einen sitzenlassen und eine Schnepfe heiraten. Alasdair war längst in der Versenkung verschwunden, aber Thomas gab es noch.
»Ravi, wenn es deine Absicht war, mir zu helfen, so muß ich dir leider sagen, daß sie fehlgeschlagen ist.«
»Ich bin nur ein Kind«, sagte er zerknirscht. »Es konnte ja nicht funktionieren.«
»Es liegt doch auf der Hand, was du tun solltest«, war plötzlich eine erregte Stimme zu hören.
Tara und Ravi sahen überrascht auf. Vinnie war aufgesprungen, hatte die Ärmel seines ungebügelten Jacketts hochgeschoben und ging auf und ab. »Ich sehe das so«, sagte Vinnie und ließ einen Kugelschreiber auf der Handfläche hüpfen, wie bei einem Brainstorming. »Als erstes mußt du Thomas fragen, ob er dich heiraten will.«
»Ist denn nichts heilig? Wir haben ein Privatgespräch geführt.«
»Die von MenChel bezahlen hundert Pfund die Stunde für mein Expertenwissen«, erwiderte Vinnie, »du kannst froh sein, daß du es umsonst kriegst. Wo waren wir stehengeblieben? Laß uns logisch vorgehen.«
Eilenden Schrittes ging er zu der Bürotafel und fing an, mit quietschenden Markern ein Diagramm aufzumalen. »Das ist der Ausgangspunkt.« Er zeigte auf ein wacklig gemaltes rotes Oval und malte einen Pfeil, der aus ihm herauskam. »Solange Thomas dich nicht abgewiesen hat – und vielleicht tut er es auch nicht –, gibt es kein Problem. Also mußt du ihm einen Antrag machen.«
»Warum? Werde ich entlassen, wenn ich es nicht tue?«
Vinnie sah sie verdutzt an.
»Na ja«, sagte Tara. »Mein Freund hat mir mit Sterben gedroht, wenn ich es nicht tue. Es würde mich also nicht überraschen, wenn du mir mit Entlassung drohst.«
»Es tut mir leid.« Plötzlich merkte Vinnie, daß sein Verhalten nicht richtig war. »Ich habe mich hinreißen lassen. Ich hätte euer Gespräch nicht belauschen dürfen. Aber es ist so interessant … eine richtige Herausforderung … Ihr müßt verstehen, ich habe in letzter Zeit nicht viel schlafen können – mein kleiner Sohn bekommt gerade Zähne…«
»Er hat recht«, murmelte Ravi, als Vinnie, sich heftig am Kopf kratzend, wieder zu seinem Schreibtisch gegangen war. »Ich sage es nicht gern, aber er hat einfach recht. Frag Thomas, ob er dich heiratet. Du weißt genau, daß es der richtige Weg ist!«
»Aber…« Wie konnte sie erklären, daß sie schreckliche Angst davor hatte, daß das ganze Kartenhaus in sich zusammenbrechen würde, wenn sie daran rührte.
»Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen«, sagte Ravi mit einem Blick auf die Uhr. »Aber erst muß ich mir die Hände waschen.«
Als Ravi aus dem Raum war, nahm Tara den Hörer auf und wählte eine Nummer. »Hallo«, sagte sie, »ich habe eine Bitte. Meine Brieftasche mit meiner Visa Card ist mir gestohlen worden. Könnten Sie mir bitte eine neue ausstellen?«
48
I n dem Wirrwarr der Gefühle, die in Katherine tobten, gab es eins, das ihr sagte, sie habe nichts mehr zu verlieren. Die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Wochen hatten sie aus der Bahn geworfen, und die Orientierungspunkte in ihrem Leben waren verschwunden.
Liv, Sandro und die O’Gradys waren sauer auf sie, Tara sprach nicht mehr mit ihr. Sie sprach nicht mit Tara. Und irgendwie
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